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Das Rosenhaus

Das Rosenhaus

Titel: Das Rosenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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sie, wie die dunkle Wolke der Depression jeden
vernünftigen Gedanken überschattete. Sie war dabei, sich in einen Menschen zu
verwandeln, der sie nicht sein wollte. Durch die Einsamkeit in dieser Einöde,
wo sie niemanden kannte und zunehmend das Gefühl hatte, sich selbst nicht mehr
zu kennen, kam es ihr vor, als würde sie langsam den Verstand verlieren. Und
sie konnte nichts dagegen tun. Sie fürchtete, dass sie sich eines Tages der
Hoffnungslosigkeit ergeben, zum Ende des Gartens marschieren und sich von der
Klippe stürzen würde.
    Danach würde ihr Geist ganz ruhig neben ihrem auf den Felsen
aufgeschlagenen Körper sitzen und staunen, wie lange es dauerte, bis Liam ihre
Abwesenheit bemerkte.

 

    5
    E ine
Tennisparty. Im April.
    Wer zum Teufel kam auf die Idee, im April – einem Monat,
der hierzulande für gewöhnlich sämtliche Klischees erfüllte und jede Menge
Regen brachte – eine Tennisparty zu veranstalten? Natürlich Duncan Corday,
Geschäftsführer der Corday-Gruppe und Vorsitzender von Corday Developments,
jener Firma, die den Bau des Kunstzentrums vorantrieb, und somit quasi Liams
Chef. Die Tennisparty war seine Idee, sie sollte auf seinem palastartigen
Anwesen in der Nähe von Truro ausgerichtet werden.
    Bisher hatte Lily mit Corday nicht viel zu tun gehabt, sie wusste
nur, dass er ein Immobilienhai war, der sich die schönsten Immobilien Cornwalls
unter den Nagel gerissen hatte. Und sie hatte schon zu spüren bekommen, dass
das Unternehmen so eine Art »Nur für Männer«-Mentalität pflegte. Eine
Mentalität, die sie zunehmend ärgerte, bedeutete sie doch, dass Liam in dem
bisschen Freizeit, das ihm noch blieb, ständig damit beschäftigt war, sein
Netzwerk zu pflegen … Und das natürlich ohne seine Frau.
    Jetzt war sie endlich einmal zu einem jener halbgeschäftlichen
Termine mit eingeladen worden, zu denen Liam regelmäßig erscheinen musste, und
sie war zu dem Schluss gekommen, dass sie keine Lust dazu hatte. Ironie des
Schicksals.
    »Was zum Henker soll ich bloß zu einer blöden Tennisparty anziehen?«
    Wütend starrte sie in ihren Kleiderschrank, in dem sich nur die
schlichtesten Alltagsklamotten fanden. Wie aus Trotz hatte Lily den Großteil
der Kisten mit ihrer Garderobe ungeöffnet auf dem Dachboden verstaut. Sie
gönnte dem Haus nicht mehr als das absolute Minimum ihrer Habseligkeiten – auf
diese Weise brachte sie ihre wachsende Unzufriedenheit zum Ausdruck.
    Sie seufzte, schloss die Schranktür, holte schließlich eine Kiste
vom Dachboden, brachte sie ins Schlafzimmer und stellte sie frustriert auf den
Kopf. Ein bunter Haufen Kleidung purzelte aufs Bett.
    Eine Tennisparty. War das so was wie eine Gartenparty? Lily sah aus
dem Fenster. Grauer Himmel. Sie könnte in einem Chiffonkleid mit Blumenmuster
und ausladendem Sonnenhut gehen und erfrieren. Zumindest war sie sich sicher,
dass ihre übliche Landleben-Uniform aus altem Pullover, abgewetzten Jeans und
Turnschuhen bei dieser Ego-Show deplatziert sein würde.
    Sie entschied sich schließlich für ein graues Kaschmirkleid und – in
der Hoffnung, dass sie nicht über zu viele Rasenflächen laufen musste – hohe
Stiefel. Es war zu kalt und nass für Leinen und Chiffonschals.
    Sie sah auf die Uhr. Halb drei. Sie hätte schon vor einer halben
Stunde da sein sollen. Ein Blick aus dem Fenster verriet ihr, dass es aufgehört
hatte zu regnen. Aber es war immerhin April und ziemlich kalt, und der Himmel
sah verdächtig grau aus, also wandte sie sich wieder dem Kleiderschrank zu und
holte einen langen Wollmantel heraus. Jetzt war sie bereit.
    Gerade wollte sie den Raum verlassen, da blieb sie noch einmal
stehen, warf den Mantel aufs Bett, setzte sich wieder an ihre Frisierkommode
und frischte ihr Make-up auf. Sie wusste genau, dass das nicht nötig war und
dass sie das nur tat, um ihre Abfahrt zu verzögern.
    Lily hatten in ihrem bisherigen Leben eigentlich keine Selbstzweifel
geplagt, aber sie war in dieser sozialen Wüste immer noch ohne Arbeit – aus
Mangel an Interesse, an Notwendigkeit und an Angebot. Und auf einmal war sie
unsicher, ob sie den Tag meistern würde, ohne sich zu blamieren. Die
Vorstellung, die Menschen kennenzulernen, denen sie im Prinzip ausgewichen war,
seit sie ihrem Mann Anfang Januar hierher gefolgt war, fand sie auch längst
nicht so schön, wie man es von jemandem erwarten würde, der auf die
Gesellschaft anderer Menschen brannte.
    Es war bereits drei Uhr, als sie das Haus verließ, mit über einer
Stunde

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