Das Rosenhaus
Ihnen nicht nur die
Galerie, sondern auch dieses Restaurant gehört?«
»Nicht ganz, aber zur Hälfte.« Sie nickte.
»Dann sind Sie also gar kein Bohemien, sondern eine Geschäftsfrau …«
Lily lächelte.
»Ach, ich wäre so gerne eine Vollblut-Bohemien gewesen«, erwiderte
sie grinsend, »aber das ist in unseren modernen Zeiten eine ziemlich
idealistische Vorstellung, von der man schnell abrückt, wenn man
alleinerziehende Mutter ist. Kinder brauchen stabile Verhältnisse, und da
Nathans Vater ihm das nie hätte bieten können, musste ich eben dafür sorgen.«
»Sie sind also nicht mehr zusammen …?«
»Nein, schon lange nicht mehr.«
»Was ist passiert? Wenn ich fragen darf …«
Sie nickte.
»Charles stammte aus einer sehr wohlhabenden Familie und ich nicht«,
stellte sie lakonisch fest. »Geldadel gegen arme Kirchenmaus … Seine Familie
hat mich nie akzeptiert und hat mich das während der zwei Jahre, die wir
dagegen ankämpften, auch deutlich spüren lassen. Am Ende hat er sich dann für
sie und gegen mich und seinen Sohn entschieden.«
»Wie schrecklich.«
»Wir waren nie verheiratet.«
»Ja und? Er hat Sie verlassen, das ist mit oder ohne Trauschein
schlimm.«
»Freut mich, dass Sie das so sehen. Seine Familie sah das nämlich
ganz anders. Und war dann paradoxerweise am Ende doch froh über meine stets
verteufelte Fortschrittlichkeit. Denn dadurch, dass ich der Institution Ehe
nicht viel abgewinnen konnte, war es ihrem wunderbaren Sohn viel einfacher
möglich, aus meinen Fängen zu fliehen – und er war nicht geschieden und ergo
nicht stigmatisiert.«
»Das muss ganz schlimm für Sie gewesen sein.«
»War es auch. Damals. Ich weiß noch, dass ich ihn damals sehr
geliebt habe, aber zum Glück habe ich längst vergessen, warum eigentlich.« Sie
lachte entspannt, und Lily stimmte ein.
»Was ist mit ihm passiert?«
»Ach, er hat geheiratet. Gut geheiratet. Irgendein angesehenes
Mädchen aus guter Familie. Mit ihr hat er dann auch noch Kinder bekommen, aber
Nathan hat sie nie kennengelernt.«
»War das seine Entscheidung?«
Sie seufzte und dachte einen Moment nach.
»Wissen Sie was, da bin ich mir gar nicht so sicher. Ich glaube, er
hat mal versucht, Kontakt aufzunehmen, aber was dabei rausgekommen ist … keine
Ahnung. Klingt schrecklich, oder, dass ich das nicht weiß, aber jedes Mal, wenn
ich vorsichtig nachfrage, lässt er mich abblitzen oder wechselt das Thema. Das
kann er sehr gut.«
»Typisch Mann«, stieß Lily mit solcher Inbrunst hervor, dass Abi sie
neugierig ansah.
»Und was ist mit Ihnen, Lily?«
»Was soll mit mir sein?«
Abi fiel auf, dass Lily irgendwie auf der Hut war.
»Na ja, jetzt wissen Sie über meine dunkle Vergangenheit Bescheid –
und wie sieht es mit Ihrer aus? Womit ich nicht sagen will, dass auch Ihre
Vergangenheit dunkel sein muss, aber wenn sie es ist, bin ich mehr als Ohr!«
Abi grinste schelmisch, worauf Lily lachte und mit den Schultern zuckte.
»Ach, da gibt es nicht viel zu erzählen.«
»Das glaube ich Ihnen nicht. Erzählen Sie mir von sich und Liam. Wie
lange sind Sie schon zusammen?«
»Wir sind schon ziemlich lange verheiratet. Seit ich neunzehn war.«
»Das nenne ich eine junge Braut.«
»Es schien uns damals das Richtige zu sein, und ich habe es auch nie
bereut …« Ihre Stimme brach ab.
Bis jetzt. Zwar sprach Lily die Worte nicht aus, aber Abi hörte sie
trotzdem.
»Und wie geht es Ihrem Mann?«, erkundigte sie sich noch einmal.
Lily zögerte kurz.
»Gute Frage …« Sie versuchte zu lachen, doch es blieb ihr im Halse
stecken. Sie senkte den Blick.
»Können ganz schön anstrengend sein, wenn sie krank sind, die Kerle,
was? Wie große Kinder …«
Lily nickte.
»Haben Sie eigentlich Kinder? Ich war so damit beschäftigt, Ihnen von
meinem eigenen Spross vorzuschwärmen, dass es mir völlig durch die Lappen
gegangen ist, Sie danach zu fragen!« Aufmunternd lächelte Abi Lily an.
Und wieder zögerte Lily. Ihre Lippen formten lautlos die Worte, die
ihre Kehle nicht freigeben wollte. Und gerade, als Abi sich entschuldigen
wollte, falls sie Lily mit dieser Frage zu nahe getreten war, schüttelte Lily
den Kopf.
»Nein, wir haben keine Kinder«, antwortete sie mit solch gequälter
Miene, dass Abi sanft eine Hand auf ihre legte.
»Ich will mich Ihnen nicht aufdrängen und auch nicht meine Nase in
Ihre Angelegenheiten stecken, aber wenn Sie reden wollen – ich kann richtig gut
zuhören. Ja, das mag Ihnen jetzt absurd vorkommen, so
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