Das Rosenhaus
die Küche, drehte die Ofenhitze herunter,
schnappte sich eine offene Flasche Rotwein und schenkte sich ein großes Glas
ein.
Sie sah auf die Wanduhr. Fünf nach halb sieben. Um halb acht war
Peter mit Wendy verabredet. Sie hoffte inständig, dass seine Traumfrau ihn
nicht warten ließ, da er sonst womöglich einen Nervenzusammenbruch erleiden
würde.
Sie starrte noch immer auf die Uhr, als Dylan hereinkam.
»Jemand zu Hause?«
»Wie?«
»Du warst doch gerade meilenweit weg.«
»Ach so, ja, ich habe gerade an Peter gedacht.«
»An Peter? Wieso?«
»Hm, ich weiß nicht, ob ich das weitererzählen darf …«, sagte sie
mit einem Augenzwinkern.
»Du brauchst es mir gar nicht zu erzählen.«
»Ach nein?«
»Nein, ich weiß es nämlich längst: Er ist ein verkappter
Transvestit.«
Lily brach in schallendes Gelächter aus.
»Du hast dir wohl die Fotos in Liams Zimmer angesehen, was? Das von
Peter in einem engen Minirock und hochhackigen Stiefeln? Da hatte er sich
verkleidet. Für eine Geburtstagsparty. Nein, er hat heute Abend ein Date mit
einer Dame, die er noch nicht besonders lange kennt, die es ihm aber bis unter
die Haarwurzeln angetan hat.«
»Also, wenn er auch nur ansatzweise so ist wie ich, versaut er sich
alles gründlich. Trinkt zu viel, um sich zu beruhigen, und benimmt sich dann
irgendwann so daneben, dass er das Objekt seiner Begierde für immer vergrault …
So laufen erste Dates bei mir jedenfalls ab.«
»Im Ernst? Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Du wirkst doch so
… so …«
»Vernünftig?«, bot er an. »Ja, so sehen mich alle, die mich aus
beruflichen Kontexten kennen – zum Glück. Ich kann es mir nicht erlauben, mit
der Gesundheit und dem Leben meiner Klienten zu spielen. Vielleicht bin ich
gerade deshalb im Privatleben ganz anders. Du weiß schon, Yin und Yang,
Gleichgewicht der Dinge und so.«
Lily zeigte auf die Flasche.
»Jetzt hast du ja Feierabend. Hätte dein leichtsinniges Ich
vielleicht Lust, ein Glas Wein mit mir zu trinken?«
»Klar, gerne.«
Er holte sich ein Glas und setzte sich neben sie. Sie schenkte ihm
ein.
»Dann muss ich allerdings mein Auto bei euch stehen lassen und mit
dem Taxi nach Hause fahren. Ich für meinen Teil habe in St. Austell nämlich
sogar ein ganzes Bier getrunken. Normalerweise trinke ich überhaupt nicht, wenn
ich noch fahren muss. Und nach dem hier« – er hob das Glas – »wird es
kriminell.«
»Zur Not könntest du auch hier übernachten«, schlug sie vor. »Im
Gästezimmer steht jetzt endlich auch ein Bett. Du könntest es einweihen.«
»Ich möchte mich nicht aufdrängen.«
»Ach, so ein Quatsch! Du weißt genau, wie sehr wir deine
Gesellschaft schätzen.«
Sie wollte nicht zugeben, dass sie nicht mit Liam allein sein
wollte.
»Ich habe eine große Lasagne zum Abendessen gemacht«, lockte sie
Dylan.
»Und du bist sicher, dass es für uns alle reicht?«
»Es würde sogar fürs ganze Dorf reichen, Dylan. Aber vielleicht hast
du ja auch etwas ganz anderes vor?«
»Wie zum Beispiel?«
»Na ja, es ist Samstagabend, du bist jung, frei und Single – da
würde es doch naheliegen, dass du irgendwo die Nacht zum Tag machst, oder?«
»Kann schon sein, mache ich aber nicht. Von daher nehme ich die
Einladung gerne an, danke.«
»Was machst du denn sonst so abends?«
Er zuckte mit den Schultern.
»Im Moment nicht besonders viel. Bier trinken und fernsehen. Nichts
gegen Liam, aber ich bin immer ganz schön alle, wenn ich nach Hause komme.«
»Und was guckst du so?«
»In erster Linie Sport. Es gibt da einen Sender, der sich auf
Extremsportarten spezialisiert hat. Also, richtig extrem, wo man sein Leben
aufs Spiel setzt.«
»Wie zum Beispiel?«
»Zum Beispiel mit Haien schnorcheln oder von Bergen springen. In
einer Sendung geht es sogar um Extrembügeln.«
»Extrembügeln?« Lily runzelte die Stirn und war sich sicher, dass er
sie auf den Arm nahm.
»Ja, dabei hängt man an einem Kletterseil von einer hundert Meter
hohen Felswand und bügelt ein weißes Hemd. Vielleicht sollte ich da mal
mitmachen – mein Berg von Bügelwäsche zu Hause ist bald so hoch wie der Mount
Everest.«
Sie lachte, und er staunte, wie sehr sich ihr Gesicht dabei
veränderte.
»Also, davon habe ich nun wirklich noch nie etwas gehört, muss ich
gestehen, aber ich glaube, ich weiß, von welchem Sender du redest … Liam hat
ihn manchmal ohne Ton laufen, wenn er Musik hört. Unzählige gut trainierte
junge Männer, die auf Monsterwellen reiten oder
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