Das rote Band
es waren Albträume, die ihn aufwachen ließen.
„Ian, ich bin da.“ Joanna streichelte seine Hand. „Du hast nur geträumt.“
Ungläubig sah er sie an. „Ich dachte, ich dachte …“, flüsterte er heiser.
„Du dachtest, du hättest mich verloren.“ Sie bemerkte seine Verwirrung. „Du hast wieder im Schlaf gesprochen. Es ist immer derselbe Traum, oder?“
Ian nickte. Er war noch so gefangen von den Bildern in seinem Kopf, dass er nicht sprechen konnte.
Joanna lächelte. „Du bist nicht im Tagelöhnerhaus, und ich bin nicht verheiratet, weder mit Prinz Kaylan noch mit Laurentin und erst recht nicht mit Samuel.“
„Tut mir leid“, murmelte er.
„Das muss es überhaupt nicht“, erwiderte sie zärtlich. „Das sage ich dir jedes Mal, wenn wir über deine Träume sprechen.“
„Ich kann mich nicht erinnern.“ Er zuckte mit den Schultern. „Das Einzige, was ich sicher weiß, ist, dass dein Gesicht mir bei jedem Erwachen sorgenvoller erscheint.“
„So ist es auch. Aber du könntest das ändern.“ Sie reichte ihm einen kleinen Becher. „Bitte trink das aus.“
Ian griff nach dem Gefäß und führte es zum Mund. Er nippte an der Flüssigkeit, doch dann überkam ihn bereits wieder eine große Müdigkeit. Er gab ihr den Becher zurück und ließ die Hand aufs Bett sinken. Kurz darauf träumte er erneut und befand sich wieder im Tagelöhnerhaus in Darkwood.
Als Ian das nächste Mal schweißgebadet erwachte, saß Jake stirnrunzelnd auf der Bettkante.
„Es ist alles in Ordnung, Ian, du hast im Fieber gesprochen.“ Der Earl wies mit der Hand auf ein Bett, das ein Stück entfernt stand. „Joanna lebt. Sie ruht sich nur aus.“
Erleichtert blickte Ian in die angezeigte Richtung. Dann bemerkte er den Becher, den Jake ihm unter die Nase hielt.
„Du trinkst das jetzt“, befahl der Earl. „Und zwar vollständig. Und wehe dir, du tust es nicht! Dann schütte ich das Zeug mit Gewalt in dich rein.“
Ian lächelte schwach. „Schön zu hören, dass ich dir noch so wichtig bin.“
„Lenk nicht vom Thema ab“, erwiderte Jake. „Sonst bringe ich dich höchstpersönlich ins Tagelöhnerhaus zurück.“ Er setzte Ian den Becher an die Lippen, der ihn in kleinen Schlückchen austrank. „Braver Junge!“, lobte Jake. „Und nun sieh zu, dass du schleunigst wieder gesund wirst, bevor meine Schwester auch noch krank wird vor Sorge um dich.“
„Ian sieht heute Morgen besser aus.“ Joanna legte die Hand auf seine Stirn. „Er fühlt sich auch nicht mehr so heiß an.“
Galad betrachtete seinen Freund, der ruhig schlief. „Vielleicht ist er endlich auf dem Weg der Besserung.“
„Das wäre schön“, sagte Joanna hoffnungsvoll. „Diese Albträume quälen ihn furchtbar, und mich auch.“
„Du bist Ians wunder Punkt, Joanna“, erwiderte Galad. „Es ist seine größte Angst, dich zu verlieren.“
Sie nickte. „Die Träume nehmen immer abwegigere Formen an. Gestern hat er fantasiert, ich würde Ronen heiraten.“ Empört schüttelte sie den Kopf.
„Das war kein Fiebertraum“, erklärte Galad. „Jake hat Ronen versprochen, er dürfe dich heiraten, wenn Ian ehrlos bleiben sollte. Und Ronen hat es Ian gesagt.“
Joanna erschrak. „Das hat Ian mir nie erzählt.“
„Ich weiß es auch nicht von Ian selbst, sondern von Jake. Aber ich stimme Jakes Vorschlag keinesfalls zu.“
Joanna merkte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. „Ich weiß nicht, wie ich Jake und Ian noch miteinander aussöhnen soll.“
„Nicht weinen, Joanna, wir finden einen Weg.“ Galad trat zu ihr und schloss sie in die Arme.
„Oh là, là, ich störe doch nicht etwa?“ Samuel betrat mit einem süffisanten Grinsen das Krankenzimmer.
„Was gibt es, Samuel?“, fragte Galad gereizt, während Joanna sich die Augen trocken wischte.
„Ich wollte nur sehen, ob Ian schon wieder bei Bewusstsein ist“, antwortete Samuel. „Ich hätte da eine Frage zu seinem Trainingsplan für die Studenten.“ Er warf einen Blick auf das Bett. „Aber so, wie es aussieht, muss ich später wiederkommen.“
Ian wachte auf und verspürte einen gewaltigen Durst. Er sah sich um, aber alleine das Drehen des Kopfes empfand er als furchtbar anstrengend. Neben seinem Bett standen auf einem Tisch ein Krug und ein Becher. Mühsam stützte er sich auf die Unterarme und wollte danach greifen. Doch, bevor er den Becher erreichte, ließen seine Kräfte nach und er fiel zurück in das Kissen.
„Ian?“, fragte eine müde Stimme.
Erst
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