Das rote Band
eins: Immer zuerst die Geisel nach Waffen durchsuchen.“ Sie bückte sich, hob das Holzschwert auf und bohrte es Alan statt des Messers in den Rücken. „Alan, Ihr geht jetzt baden!“, befahl sie. „Korin, gebt mir Geleitschutz!“
Gemeinsam trieben sie Alan lachend zum Rand der Stufe, wo er murrend hinuntersprang.
Eloïse strahlte. „Und wen nehmen wir uns als Nächstes vor, Mylady?“
„Wie wäre es mit Harper?“, schlug Joanna vor.
Der Kopf des Studenten, der gerade Olric über die Klippen geschickt hatte, flog herum. „Hey, Ian, das ist gemein!“, rief Harper. „Ich kann nicht gegen eine Dame kämpfen.“
Ian grinste und zuckte mit den Schultern.
„Angst zu verlieren, Harper?“ Victorian, der in der Nähe mit Will focht, lachte und nickte Joanna anerkennend zu. „Zeigt keine Gnade bei ihm, Prinzessin.“
Joanna kicherte und hob ihr Holzschwert. So viel Spaß hatte sie seit Langem nicht mehr gehabt, und auch die Studenten hatten große Freude, von Harper einmal abgesehen, der sich äußert rücksichtsvoll gegen ihre Angriffe wehrte.
In diesem Moment schlug Ian die Glocke, und Joanna ließ, genau wie alle anderen auf der Tribüne, ihre Waffe sinken.
„Können wir nicht weitermachen?“, fragte Raine enttäuscht, und die übrigen Studenten pflichteten ihm lautstark bei.
„Nein“, antwortete Ian, „wir müssen Schluss machen.“
„Gut, dass du es sagst, Ian.“ Jakes Stimme erklang schneidend durch die Waffenhalle. Der Earl stand in der Tür und schritt nun auf Ian zu. „Sonst hätte ich es beendet. Fällt dir nichts Besseres ein als dieses Affentheater?“
Verärgert sah Ian ihn an. „Wenn ich schon deine Arbeit machen muss, dann so, wie ich es für richtig halte!“
„Und was willst du den Studenten als Nächstes zeigen?“ Jake warf ihm einen höhnischen Blick zu. „Vielleicht, wie man einen Stall ausmistet, weil es gut ist für Kraft und Ausdauer?“
Ian zog die Augenbrauen zusammen. „Ich weiß, du würdest mich am liebsten zur Stallarbeit schicken.“
„Das ist nicht wahr“, entgegnete Jake.
„Oh doch, du lässt mich jeden Tag spüren, wie wenig du von mir hältst.“
„Pass auf, was du sagst, Ian!“
„Du hast angefangen, mich vor allen Studenten zu kritisieren, anstatt im Anschluss mit mir alleine zu sprechen!“, rief Ian aufgebracht. „Jede Wette, bei Galad oder Lord Tennison hättest du es nicht gemacht.“
Jakes Augen verengten sich, doch er antwortete nicht.
Ian sah ihn verächtlich an, drehte sich um und ging auf den Ausgang zu. „Legt die Bänder und Holzschwerter auf die Tribüne, wir sehen uns nachher“, rief er seinen Studenten zu, bevor er die Tür der Waffenhalle hinter sich zuschlug.
Die Studenten folgten seiner Anweisung und verließen anschließend schweigend die Halle, um zu ihrer nächsten Unterrichtsstunde zu gehen. Joanna blieb mit Jake auf der Kampffläche zurück. Sie rieb sich über die Augen. Es war gut, dass Ian sich endlich den Auseinandersetzungen mit ihrem Bruder stellte, andererseits … „Er hat recht, Jake“, sagte sie schließlich.
„Fang du nicht auch noch an!“, fuhr Jake sie an.
Entschlossen ergriff Joanna seine Unterarme. „Es war eine gute Stunde, und die Studenten haben viel gelernt.“
Jake verzog verächtlich das Gesicht.
„Jake, bitte! Ian macht sich viele Gedanken um seinen Unterricht und ist sich seiner Verantwortung vollkommen bewusst. Er notiert genau die Fortschritte, die jeder einzelne Student macht und überlegt, wie er ihn noch besser fördern kann. Schau, er hat deswegen sogar einen Schreibtisch in die Waffenhalle stellen lassen.“ Sie wies auf die Ecke neben der Verbandstruhe, in der ein Tisch und ein Stuhl standen. „Wenn Ian abends zu mir kommt, erzählt er mir ausführlich, was er für den nächsten Tag geplant hat. Manchmal redet er sogar nachts im Schlaf davon.“ Sie blickte ihren Bruder ernst an. „Ian ist unsicher.“
„Unsicher oder unfähig?“
„Es sind Ians erste Wochen als Lehrer! Du weißt genau, wie es dir damals ging, oder mir. Noch dazu ist er ehrlos. Er bräuchte dringend eine Bestätigung von dir, ein Lob oder eine angemessene Kritik, aber keine Vorwürfe.“
„Wenn es ihm auf Greystone nicht passt, kann er jederzeit gehen.“
„Jake!“ Sie ließ seine Arme los. „Du und Ian, ihr seid die beiden wichtigsten Menschen in meinem Leben. Weißt du, wie leid ich es bin, ständig zwischen dir und ihm zu vermitteln? Du musst ihn nicht mögen, aber du solltest ihn wenigstens
Weitere Kostenlose Bücher