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Das rote Band

Das rote Band

Titel: Das rote Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Graham
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anständig behandeln! Aber du tust nicht einmal das, und ich verstehe nicht, warum.“ Sie stützte die Hände in ihre Taille. „Es ist doch alles wunderbar: Du, Galad, Ian und ich bleiben zusammen auf Greystone. Ich bin die Burgherrin, du musst nicht heiraten. Ich habe den Mann, den ich liebe, und du auch. Wir könnten alle glücklich sein.“ Sie sah ihn an, doch er wich ihrem Blick aus. „Was verschweigst du mir, Jake?“
    „Nichts.“
    „Natürlich“, erwiderte sie ironisch.
    Traurig betrachtete Jake seine Schwester. Es war längst nicht alles wunderbar . Die Dinge würden sich bald ändern, auch wenn es ihm – und ihr – nicht gefallen würde. Mit seinem Verhalten auf Adcoques Bankett im Frühjahr hatte er alles ruiniert. Vielleicht war es der viele Wein gewesen, vielleicht die Tatsache, seit Jahren keine Frau mehr berührt zu haben, oder schlichtweg das Gefühl, Galad zu betrügen: Die Nacht mit der Dame war nicht so gelaufen, wie er es sich vorgestellt hatte. Der Viscount und seine Freunde hatten ihn am Morgen danach verhöhnt, und den Bericht der Dame über sein Unvermögen als Beweis für seine Andersartigkeit genommen. Den ganzen Sommer hatte er gewartet, dass Adcoque die Nachricht verbreiten würde, doch es war ruhig geblieben. Aber nach dem Vorfall mit Ian vor zwei Tagen war es nur noch eine Frage der Zeit, bis Adcoque die Gerüchte in Umlauf bringen würde, die zwangsläufig auch den König erreichen würden. Und durch die vielen Zeugen war Theodoric gezwungen, der Sache nachzugehen und zu handeln. Für einen Moment schloss Jake die Augen. Er brachte nicht den Mut auf, Joanna seine Befürchtungen und sein Versagen bei Adcoque zu gestehen, denn er wollte ihr die Wochen, bis das Unvermeidliche eintrat, nicht verderben. Er hatte hoch gespielt und verloren.
    Aber möglicherweise empfand Joanna das Kommende gar nicht als schlimm, sondern es war eine Art Befreiung für sie? Unmerklich schüttelte Jake den Kopf. Nein, dafür kannte er seine Schwester gut genug. Sie würde leiden, weil sie verstand, was er aufgeben musste. Und was Ian betraf: Er konnte ihr auch hier nicht die Wahrheit sagen. Er konnte ihr nicht sagen, wie ihn jedes Mal Neid und Missgunst überwältigten, wenn er ihn sah. Ian, der das Herz seiner Schwester gestohlen und ihn daraus verdrängt hatte, der Galads Freundschaft erschlichen hatte und dem es trotz Ehrlosigkeit gelungen war, die Studenten auf seine Seite zu ziehen! Und wenn die Zeit käme, würde Ian ihm auch noch das Letzte wegnehmen, das ihm etwas bedeutete …
    Jake ballte die Fäuste, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Tief in seinem Inneren wusste er, wie kindisch und ungerecht diese Gedanken waren, aber er konnte sie nicht unterdrücken. Für ihn blieb Ian ein Konkurrent um die Zuneigung der Menschen, die er liebte, und ein Feind, der die Machtstellung bedrohte, die er sich so hart erarbeitet hatte. Doch das durfte seine Schwester niemals wissen.
    „Jake, sprichst du heute noch mal mit mir?“
    Joannas Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. „Wir gehen in die große Halle, und ich entschuldige mich bei Ian, in Ordnung?“, schlug er vor, um sie zu besänftigen.
    „Er ist nicht beim Mittagessen“, entgegnete sie.
    Fragend sah er seine Schwester an.
    „Ian ist zu einer Besprechung mit Sir Perrin gegangen. Danach gibt er Fechtunterricht, anschließend übt er mit den Soldaten, bevor das Abendtraining mit den Studenten beginnt.“ Sie bemerkte seinen überraschten Gesichtsausdruck. „Ian hat wirklich viel zu tun. Bitte rede mit ihm, er wartet auf deine Anerkennung.“
    Jake nickte halbherzig. Genau das war es, wogegen sich alles in ihm sträubte.
     
    Joanna stand in ihrem Nachthemd am offenen Fenster und betrachtete den Sternenhimmel. Die lauen Spätsommerabende waren endgültig vorbei, und sie fröstelte. „Hat Jake sich wegen heute früh bei dir entschuldigt?“, fragte sie Ian, der gerade ihr Zimmer betreten hatte.
    Er kam zu ihr und nahm sie in die Arme. „Nein. Hast du ehrlich geglaubt, er tut das?“
    „Selbstverständlich.“
    „Meine Güte, Joanna!“, rief er. „Es wird Zeit, dass du dich von ein paar Illusionen über deinen Bruder befreist.“
    Erschrocken über seine Erwiderung sah sie ihn an.
    „Jake hasst mich seit nunmehr eineinhalb Jahren!“, fuhr Ian aufgebracht fort. „Und, wenn er sich zwischendurch tatsächlich einmal bei mir entschuldigt oder mir ein Geschenk macht, dann ist das letztendlich nichts wert, denn es ändert seine Einstellung mir

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