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Das rote Band

Das rote Band

Titel: Das rote Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Graham
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seinen Rücken. Verwundert schlug er die Bettdecke zurück. Ein kleiner Lederbeutel und die lateinische Fibel lagen auf der Matratze. Er öffnete den Beutel, griff vorsichtig hinein und zog die silberne Kette mit dem Bernsteintropfen heraus. An dem Schmuckstück war ein Zettel befestigt. Neugierig faltete Ian das Papier auseinander und stutzte:
     
    AUDIATUR  ET  ALTERA  PARS      256
     
    Ian nahm die Lateinfibel, schlug sie an der angegebenen Stelle auf und las die Übersetzung: Es werde auch die andere Seite gehört. Er lächelte. Wie es schien, hatte er Victorian erneut zu danken.
     

15
     
     
    Zwei Tage nach dem Herbstmarkt stand Joanna in der leeren Waffenhalle vor der Truhe mit den Verbänden. „Wenigstens verschwinden keine Bandagen mehr“, murmelte sie und setzte einen frischen Stapel Leinentücher hinein.
    Plötzlich öffnete sich die Tür, und Ian betrat zusammen mit den Studenten die Halle.
    Überrascht drehte sich Joanna zu ihm um. „Was macht ihr hier? Dienstagsmorgens findet doch gar kein Fechttraining statt?“
    „Jetzt schon“, antwortete Ian wütend und ging auf die Waffenkammer zu. „Jake hat einen Besucher und angeordnet, dass ich seinen Unterricht übernehmen und ein Fechttraining abhalten soll.“
    Joanna seufzte. Sie musste dringend mit ihrem Bruder reden, damit er die Vertretungsstunden nicht immer nur Ian übertrug.
    Mit einem Armvoll Holzschwertern kam Ian kurz darauf aus der Waffenkammer zurück und reichte jedem der Studenten, die sich auf der Kampffläche versammelt hatten, eine Übungswaffe. „Joanna, gebt Ihr mir bitte sieben Stoffbinden?“, fragte er, nachdem er die Schwerter verteilt hatte.
    Verwundert reichte sie ihm die Bandagen. Ian nahm eine der Leinenbahnen, rollte sie auf und knotete die beiden Enden zusammen. Dann hängte er das Band Harper, der neben ihm stand, wie eine Schärpe um. Diesen Vorgang wiederholte er mit den restlichen Bandagen, sodass schließlich sieben Studenten mit weißen Bändern geschmückt waren.
    „Und was ist mit uns?“, fragte Eloïse, die kein Band bekommen hatte.
    „Ihr tretet heute in zwei Gruppen gegeneinander an“, klärte Ian die Studenten auf. „Wir üben den Kampf im Gelände.“
    „Draußen?“, erkundigte sich Morton.
    Ian schüttelte den Kopf und wies auf die Tribüne. „Nein, dort oben.“ Er grinste. „Stellt euch vor, die Stufen seien ein Abhang und unten fließe ein reißender Fluss. Wer hineinfällt, ist ausgeschieden. Die Studenten ohne Bänder sind die angreifenden Ritter und stehen zu Beginn auf den unteren Stufen – ein Nachteil, dafür sind sie ein Mann mehr. Die weiße Gruppe stellt die Räuber dar, die ihre Beute verteidigen.“ Er deutete auf Joanna.
    Joanna staunte. „Ich soll mitmachen?“
    „Ja“, antwortete Ian. „Ihr seid die wunderschöne Prinzessin in Not.“
    Joanna verdrehte die Augen, folgte aber seiner Anweisung, sich in die Ecke auf der obersten Stufe zu stellen, während sich die Studenten mit den weißen Bändern im oberen Bereich der Tribüne verteilten.
    „Victorian, du übernimmst die Führung der Ritter, und William befehligt die Räuber“, bestimmte Ian. Dann pfiff er durch die Finger, und der Kampf begann.
    Von ihrem Platz aus hatte Joanna einen guten Überblick und beobachtete fasziniert das losbrechende Getümmel. Die Höhenunterschiede stellten alle vor Schwierigkeiten, ebenso der beengte Raum. Es dauerte einen Moment, bis die Studenten sich daran gewöhnt hatten und die Kommandos umsetzen konnten, die ihnen die beiden Anführer zuriefen. Zufrieden stellte Joanna fest, dass einige der Ritter , die sie befreien sollten, bereits die zweite Stufe erklommen hatten. Plötzlich ließ ein wütender Aufschrei sie herumfahren: Crispin, einer der Ritter , war in den Fluss gestürzt und ärgerte sich lautstark über sein Ausscheiden. Auch Joanna verzog das Gesicht, schließlich wäre Crispin einer ihrer Retter gewesen! Sie blickte sich um. Korin, der ebenfalls zu ihrer Gruppe gehörte, kämpfte direkt vor ihr verzweifelt gegen Alan. Joanna runzelte die Stirn. Korin wird unterliegen, dachte sie, aber sie hatte keine Lust, noch einen Mann zu verlieren! Unauffällig griff sie mit der Hand unter ihre Schürze und zog das Messer hervor, das Ian ihr einst geschenkt hatte.
    Eloïse staunte nicht schlecht, als Alan mitten im Kampf sein Schwert fallen ließ und die Arme nach oben streckte.
    Verschwörerisch zwinkerte Joanna Eloïse über Alans Schulter hinweg zu und erklärte: „Regel Nummer

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