Das rote Flugzeug
kultiviert.
»Tag!« sagte Cox kurz und schrieb weiter.
»Sie sind wohl sehr beschäftigt«, bemerkte der Fremde.
Kannte er diese Stimme? Nein, sagte er sich, nie gehört. Wahrscheinlich irgendein Reisender. Leute jeden Schlags, gebildete und ungebildete, reisten im Busch herum, und hier war einer, der wieder mal irgendeine Auskunft haben wollte. Mit grimmiger Entschlossenheit schrieb er seinen letzten Satz fertig, dann erst hob er den Kopf und sah den Besucher unfreundlich an.
Der Mann, der sich auf den kleinen Stahlsafe gesetzt hatte, war mittelgroß, schlank und trug einen leichten hellgrauen Anzug. Die Krawatte paßte zum Hemd, ebenso der weiche Hut, der jetzt auf dem Rand des Schreibtischs lag. Den Kopf hielt der Fremde leicht gesenkt, den Blick auf seine Finger gerichtet, die damit beschäftigt waren, eine Zigarette zu drehen. Mit Erstaunen stellte der Sergeant fest, daß der Mann feines, glattes schwarzes Haar und eine dunkelbraune Haut hatte. Und dann blickte er unversehens in blitzende und blaue Augen, die ihn freundlich anlächelten.
»Ja? Was wollen Sie?« fragte Cox, pikiert über die Freiheiten, die sich der Fremde herausnahm. Der Mann war offensichtlich ein Halbblut. Er riß ein Streichholz an und zündete sich in aller Ruhe die Zigarette an, die er sich eben gedreht hatte. Cox lief rot an vor Ärger. Von den Viehhütern und Mischlingen war er mehr Respekt gewöhnt.
»Ich habe gefragt, was Sie wollen«, schnarrte er gereizt.
»Mein lieber Sergeant«, sagte der Mann mit seiner weichen, angenehmen Stimme, »ich denke, wir wollen beide das gleiche. Mein Name, der mir vor langer Zeit von der gedankenlosen Leiterin einer Missionsstation gegeben wurde, ist Napoleon Bonaparte. Sie können mir glauben, daß ich oft genug versucht war, mir einen anderen Namen zuzulegen, denn niemand – am wenigsten ich – ist solcher Ehre würdig.«
»Napoleon Bonaparte!«
Der Sergeant ließ seinen Füllfederhalter fallen. Langsam stand er auf und schob seinen Stuhl zurück. Aller Ärger war verflogen, nur staunende Verwunderung blieb.
»Etwa Inspektor Napoleon Bonaparte?«
Der Besucher verneigte sich leicht. »Richtig.«
»Sir! Ich bin wirklich überrascht. Ich habe erst heute abend mit dem Postbus jemanden aus Brisbane erwartet. Wie sind Sie hierhergekommen, Sir?«
»Ich habe mir in Yaraka einen Wagen gemietet. Ich hätte eigentlich schon vor zwei Tagen hier sein sollen, aber ich mußte in Longreach noch einen Fall abschließen. Der Commissioner meinte, ich wäre am besten geeignet, Ihr kleines Buschgeheimnis aufzuklären. Ach, übrigens – nennen Sie mich bitte nicht ›Sir‹. Von meinen Freunden und Kollegen werde ich nur Bony genannt. Einfach Bony. Sogar Colonel Spendor nennt mich Bony. Er sagt: ›Wo, zum Teufel, sind Sie gewesen, Bony?‹ oder ›Warum, zum Teufel, haben Sie sich nicht gemeldet, Bony, obwohl ich Ihnen Anweisung dazu gegeben hatte?‹ Colonel Spendor ist ein explosiver, aber sympathischer Mann. Er wird eines Tages ganz plötzlich sterben – wie sich das für einen Soldaten gehört – und wird uns allen fehlen. Ich mag Leute, die poltern und donnern. Dünkel und Hinterhältigkeit kennen sie nicht.«
»Sir – äh – Bony, ich freue mich, Sie kennenzulernen«, erklärte Cox, der seine Überraschung noch immer nicht ganz überwunden hatte. Eilig kam er hinter seinem Schreibtisch hervor und holte einen Stuhl, der in der Ecke stand. »Ich habe natürlich viel von Ihnen gehört. Meine Frau macht gerade den Tee. Darf ich Ihnen eine Tasse anbieten?«
»Ich habe gehofft, daß Sie das tun würden«, erwiderte Bony lächelnd. »Der Fahrer meines Mietwagens löscht seinen Durst mit Bier, aber ich habe festgestellt, daß ich Kopfschmerzen bekomme, wenn ich tagsüber Bier trinke. Aber ich möchte auf keinen Fall, daß Ihre Frau sich meinetwegen Umstände macht.«
»Nein, nein. Ich werde sie bitten, uns den Tee hier hereinzubringen, dann können wir dabei gleich diese Flugzeuggeschichte besprechen. Haben Sie meinen Bericht gelesen, den ich ans Präsidium geschickt habe?«
»Ja. Sonst hätte ich den Fall vielleicht abgelehnt.«
»Abgelehnt? Aber die Fälle werden doch vom Chief Inspektor zugeteilt!«
»Das ist richtig, Sergeant. Er teilt mir Fälle zu, aber manchmal lehne ich eben einen ab.« Bony lächelte und zeigte dabei seine ebenmäßigen Zähne. »Ich lehne es ab, meinen Verstand an einen primitiven Mord oder einen noch primitiveren Diebstahl zu verschwenden. Der Chief Inspektor sieht das
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