Das rote Flugzeug
Draufgänger, und Anfang 1914 – John war einundzwanzig und Charles zwanzig – brannte der Jüngere mit der Lehrerin von Golden Dawn durch und heiratete sie.
Der alte Kane enterbte ihn postwendend. Er war ein strenger und harter Mann. John, dem Älteren, widerfuhr das gleiche Schicksal, als er zur australischen Luftwaffe ging. Sein Vater setzte seine Neffen als Erben ein. Charles verschwand eine Weile von der Bildfläche, und John ließ sich zur Royal Air Force versetzen, wo er sich als Flieger auszeichnete, bis er eine deutsche Kugel ins Bein bekam.
Bei seiner Rückkehr nach Queensland stellte John fest, daß sein Bruder und sein Vater sich einigermaßen ausgesöhnt hatten, und auch John wurde nun in Gnaden wiederaufgenommen, da er sich ja im Krieg als tapferer Soldat bewährt hatte. Es stand also alles wieder so wie vor Charles’ Heirat mit der Lehrerin. 1920 kamen dann Charles und seine Frau bei einem Autounglück in der Nähe von Sydney ums Leben, und kurz danach kam es zwischen John und seinem Vater zu einem Riesenkrach. John packte seine Sachen und ging mit einem Missionar auf die Cape–York–Halbinsel. Dort blieb er ungefähr zwei Jahre, allerdings nicht, um die Schwarzen zu bekehren, sondern um ihre Sitten und Gebräuche zu studieren. John Kane ist ein recht guter Anthropologe; besser als viele, die ihre Weisheit nur aus Büchern haben – Professoren und solche Leute. Soviel ich weiß, interessierte er sich immer schon für die Aborigines. Wie dem auch sei, er weiß weit mehr über sie als ich oder sonst jemand hier im Bezirk. Er hat auch eine Menge über sie geschrieben, unter anderem ein wichtiges Buch über ihren Glauben und ihre Legenden.
1923 kam er nach Hause zurück, weil sein Vater schwer krank war. Als der Alte starb, ging der gesamte Besitz an John über. Er hat nie geheiratet und führt bis heute ein ziemlich unstetes Leben. Kann sein, daß die Kriegsjahre daran schuld sind, aber ich glaube, er ist einfach ein unsteter Mensch.
Er ist so eine Art Quartalssäufer, wenn ich das mal so sagen darf. Läßt sich vollaufen bis obenhin und rührt dann wochenlang keinen Tropfen Alkohol an. In anderen Dingen ist er ähnlich sprunghaft. Auf den Festen, die er in seinem Haus gibt, kann man die gesamte schicke Gesellschaft von Brisbane treffen und zu anderen Zeiten ernstzunehmende Anthropologen und Leute, die sich für die Aborigines interessieren. Sein Auto fährt er wie ein Verrückter. Er bringt es fertig, an einem Tag seine sämtlichen Leute an die Luft zu setzen und sie am nächsten Tag wieder einzustellen, und er verschwendet einen Haufen Zeit mit Dingen, die mit der Verwaltung seines Guts überhaupt nichts zu tun haben. Ich denke, das reicht, um Ihnen eine Vorstellung davon zu geben, was für ein Mensch er ist. Er ist kein schlechter Nachbar, auch wenn er ein bißchen auf uns herabschaut. Er ist ein großzügiger Mann und spendet an alle örtlichen Wohltätigkeitsvereine.
Ja, Kane ist ein eigenartiger Mensch – temperamentvoll und unberechenbar. Vor ein paar Jahren hörte ich, daß er vorhatte, ein Grundstück nördlich von Tintanoo zu verkaufen. Die Gegend heißt Garth. Es ist kein großes Stück Land, aber es ist von erstklassiger Qualität und gut bewässert. Ich machte ihm ein Angebot, und er lehnte rundweg ab, an mich zu verkaufen, weil wir ein Jahr vorher wegen ein paar nicht gebrandmarkter Stück Vieh eine kleine Differenz hatten. Seitdem hat er verschiedene andere Angebote bekommen, aber er hat jedesmal abgelehnt, weil er glaubte, sie kämen von mir.«
»Diesen Mr. Kane würde ich gern kennenlernen«, murmelte Bony. »Er muß ein interessanter Mensch sein. Habe ich recht verstanden, daß er aufgrund seiner Kriegsverletzung nicht mehr fliegen kann?«
»Das weiß ich nicht genau. Ich glaube, ich habe mal gehört, daß er hinterher noch geflogen ist, aber das Ende des Krieges kam, bevor man ihn wieder nach Frankreich schicken konnte. Auf jeden Fall hinkt er leicht. Sie müssen sich mit Dr. Knowles über ihn unterhalten. Der weiß mehr über Kanes Kriegskarriere als ich.«
»Das werde ich tun. Knowles ist doch Australier, nicht wahr?«
»Nein. Er kommt aus Sussex. Seine Vergangenheit ist ein Geheimnis. Ein feiner Kerl, nur schade, daß er so viel trinkt.«
»Ja«, stimmte Bony zu. »Es würde mich interessieren, was das für einen Grund hat.«
Im Licht der Scheinwerfer tauchten die Sanddünen auf, die Elizabeth die Rockies getauft hatte. Schwarz hoben sie sich vom dunklen Himmel ab.
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