Das rote Flugzeug
Shuteye! Steh auf, wie sich das für einen Mann gehört, und laß dich vorstellen.«
Shuteyes massiger Körper zeigte, daß der Schwarze gut zu leben verstand. Die kleinen schwarzen Augen lachten aus einem pausbäckigen Gesicht hervor.
»Er ist ein richtiger Saubermann«, fuhr Ned erbarmungslos fort. »Er hat nur ein Hemd, aber er wäscht es jeden Abend und schläft dann darin, damit es trocken wird. Shuteye wird mal jung sterben. Ich halt’ nichts von so viel Sauberkeit. Er ist kein schlechter Arbeiter, das muß ich sagen. – So, jetzt du, Bill Sikes. Steh auf!«
Sofort sprang der andere Schwarze auf wie der Teufel aus der Schachtel. Er war größer als Shuteye, nicht so dick und kräftiger. Sein Gesicht war unglaublich häßlich.
»Ein Filmstar ist er nicht gerade«, sagte Ned, »aber er hat seine guten Seiten – vorausgesetzt, man versteckt nachts sein Rasiermesser und verriegelt die Tür. Nein, er ist ein guter Kerl, ein erstklassiger Spurenleser, und im Notfall kann man sich immer auf ihn verlassen. Er und Shuteye kampieren draußen im Zelt. So, und jetzt hat der Tee, denk’ ich, richtig gezogen.«
»Ha, ha, bist du komisch«, warf Shuteye ein. Lachend glitten die beiden an ihren Türpfosten hinunter und hockten sich wieder auf die Fersen.
»Wir treiben die Kühe vorläufig noch nicht in den Emu Lake, Ned«, sagte Nettlefold, der sich an den Tisch gesetzt hatte und seinen Tee umrührte. »Es eilt ja nicht, und wir brauchen Ted Sharp auf dem Hof. Ich hab’ gedacht, ich schick’ euch eine Ladung Holz raus. Dann könnt ihr die Hütte hier reparieren. Und die Zäune könnten auch eine Überholung gebrauchen.«
»Sie sagen es«, stimmte Ned zu. »Wenn Sie und ich und Shuteye uns draußen an die Nordwand lehnen würden, würde die ganze Hütte zusammenkrachen. Wenn die weißen Ameisen mal über eine Bude herfallen, dann gute Nacht. Können Sie auch gleich Teer mit rausschicken?«
»Ja, natürlich.«
»Gut. Ich möcht’ nicht, daß mir’s genauso geht wie Mick Mörder drüben aus Birdsville. Der kam eines Nachts nach einer Sauferei aus der Wirtschaft nach Hause und hatte zwei Flaschen Blue Star Gin dabei. Er hockt sich mit seinem Kumpel Paroo Dick zusammen, und die zwei fangen an zu wetten. Na, und Paroo Dick wettet ein Pfund, daß Mick Mörder so alt und fertig ist, daß er nicht mal ‘nen Kilometer laufen könnte. ›Schon gewonnen‹, sagt Mick Mörder. ›Aber dafür setz’ ich jetzt einen Fünfer, daß ich diese verdammte Bude umblasen kann. Nur damit du siehst, daß meine Lunge noch in Ordnung ist.‹ ›Abgemacht‹, sagt Paroo Dick. ›Probier’s.‹
Also steht Mick Mörder auf, und dieser Idiot versucht doch tatsächlich, die Hütte von innen umzublasen. Er holt einmal so tief Luft, daß ihm der Hosenboden platzt und der Gürtel auch, und dann pustet er. Zack, stürzt die ganze Bude ein, und das Wellblechdach direkt auf Mick Mörder und Paroo Dick. Die haben eine ganz schöne Gehirnerschütterung gehabt.«
»Wunderbar!« rief Bony begeistert.
»Stimmt’s nicht, Bill Sikes?« fragte Ned mit plötzlichem Zorn.
»Stimmt genau«, bestätigte der Schwarze, dessen hohe dünne Stimme überhaupt nicht zu seinem grimmigen Äußeren paßte. »Ich bin vorbeigekommen. Ich hab’ die kaputte Hütte gesehen. Und wie ich unters Dach geschaut hab’, lagen da Mick Mörder und Paroo Dick wie zwei Tote.«
»Und hast du nicht alles getrunken, was von dem Gin noch übrig war, eh du sie rausgezogen und wieder zu Bewußtsein gebracht hast – mit Wasser?« nahm Ned ihn ins Verhör.
»Doch. Der Gin hätt’ den Burschen doch nichts geholfen. Sie konnten ihn ja gar nicht schmecken«, argumentierte Bill Sikes.
Bony bemerkte die Erheiterung in Nettlefolds Augen, und sie fingen beide an zu lachen.
»Trotzdem«, sagte Ned, »hier unten ist es nicht so schlimm mit den weißen Ameisen wie oben im Norden. Mann, da oben muß man jeden Stuhl erst mal vorsichtig ausprobieren, ehe man sich hinsetzt. Und manchmal zerfällt einem der Stuhl unterm Hintern zu Sägemehl. Ich weiß von einem, der in sein Testament geschrieben hat, daß sie seinen Sarg mit Blei auskleiden sollen, damit die weißen Ameisen nicht an ihn rankönnen. Als ob das was hilft. Diese Ameisen fressen sich ja sogar durch Stahl.«
Nettlefold blieb nicht länger, nachdem er seinen Tee getrunken hatte. Bony begleitete ihn zum Wagen.
»Ich danke Ihnen, daß Sie mich herausgefahren haben«, sagte er, als Nettlefold sich hinter das Steuer gesetzt und den
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