Das rote Flugzeug
ist gut, daß Sie sich entschieden haben, über Nacht zu bleiben.«
Bony stieß gegen die Tür, als der Wagen um die nächste Kurve zog, und flog beinahe gegen das Armaturenbrett, als Kane scharf abbremste.
»Hier sind wir«, sagte er. »Kommen Sie.«
Bony folgte Kane zu einer Grube, die etwas über Bodenhöhe mit Wellblech überdacht war. In den harten Lehmboden, auf dem sich eine dünne Schicht vom Wind hergefegten Sandes gesammelt hatte, waren mehrere Stufen eingehauen, und die stieg Kane jetzt hinunter zu einer schweren Holztür.
»Hier unten wage ich kaum zu atmen«, sagte er, nachdem er den Riegel aufgeschoben hatte. »Da steht es. Wenn es jetzt explodieren würde, würden wir nicht mal merken, daß wir tot sind.«
Er leuchtete mit der Taschenlampe zum hinteren Ende des Kellers, wo die große Kiste stand. Die Wand, die ihnen zugekehrt war, war herausgerissen worden, und dort in einem Nest aus Sägespänen thronte der große Glasballon.
»Einen Moment bitte. Geben Sie mir die Lampe«, befahl Bony.
Den Strahl der Lampe zu Boden gerichtet, ging er zu dem Ballon. Seine Augen blitzten, als er vor dem gewaltigen Behälter, in dem der tödliche Sprengstoff eingeschlossen war, in die Hocke ging. Das Glas war mit Fingerabdrücken übersät, öligen Abdrücken, die durch den Staub, der sich auf ihnen angesammelt hatte, zuerst stark hervorgehoben und dann durch nachfolgende Staubschichten wieder abgeschwächt worden waren.
»Der Behälter ist leer«, rief er Kane zu, der an der Tür stehengeblieben war.
»Leer?« wiederholte Kane verblüfft. Weniger ängstlich jetzt, gesellte er sich zu Bony und beugte sich tiefer, um besser in den Glasballon hineinsehen zu können. »Tatsächlich! Das versteh’ ich nicht. Aber kommen Sie! Schon der Donner kann das bißchen Zeug, das noch im Glas ist, zur Explosion bringen.«
»Ja, gehen wir«, stimmte Bony zu. »Das Gewitter wird gleich hier sein. Mir geht es wie Ihnen – ich wage kaum zu atmen.«
Mit einer Hast, die eines Erwachsenen kaum würdig war, lief Kane zur Tür und rannte die Stufen hinauf. Bony blieb noch zwei Sekunden. Auf dem Glas war ein Fingerabdruck, der sein Interesse erregte. Er war den anderen ganz unähnlich, fast rund und von zwei deutlich erkennbaren Linien durchzogen.
20
Donner
Donner erschütterte das Haus bis in die Grundfesten, und bei jedem Blitz flackerten die Lichter. Bony war in seinem Zimmer und zog sich zum Abendessen um. Vor dem offenen Fenster trommelten schwere Regentropfen auf das Verandadach. Doch das Schlimmste war vorbei, und so heftig das Gewitter gewesen war, es war bemerkenswert wenig Regen gefallen. Neben den Donnerschlägen aus nächster Nähe hörte Bony das Grollen von Gewittern weit im Westen und Norden.
Bony summte vergnügt vor sich hin. Der eigenartige Fingerabdruck auf dem Glasballon war eine ausgesprochen glückliche und bedeutsame Entdeckung. Er schien ein Hinweis darauf zu sein, daß dieses hartnäckige Geheimnis sich nun doch entschlüsseln ließ. In dem Nebel glaubte Bony jetzt, neben anderen schemenhaften Gestalten eine Person klar erkennen zu können: Owen Oliver.
Der Brandsachverständige hatte festgestellt, daß das rote Flugzeug durch Nitroglyzerin zerstört worden war. Cox hatte eine Meldung erhalten und weitergegeben, daß Nitroglyzerin an einen Mann namens Barton verkauft worden war, einen Bohrungsexperten, der beträchtliche Zeit vor dem Diebstahl des Flugzeugs den Auftrag erhalten hatte, auf Tintanoo den versiegten Brunnen wieder flottzumachen. Wegen der Gefährlichkeit des Materials war der Verkauf von Nitroglyzerin strengen Vorschriften unterworfen. Außer diesem Barton hatte seit Jahren niemand mehr in Westqueensland eine Genehmigung zum Kauf von Nitroglyzerin beantragt.
John Kane zufolge war nun eine Menge des Nitroglyzerins, das er in seinem extra dafür gebauten Keller aufbewahrt hatte, ohne sein Wissen und seine Erlaubnis entfernt worden. Es war ziemlich sicher, daß das Nitroglyzerin, mit dem das rote Flugzeug gesprengt worden war, aus diesem Keller stammte. Und dann der Abdruck des deformierten Fingers! Nur seinem scharfen Auge hatte Bony es zu verdanken, daß er ihn wahrgenommen hatte. Jemand mit normaler Sehstärke hätte ihn nicht bemerkt; schon gar nicht, wenn er wegen des gefährlichen Stoffs in der Glasflasche nervös gewesen wäre.
Niemand war nach dem Vorüberfegen der Sandwolke mehr im Keller gewesen. Das hatte Bony der Boden oberhalb der Stufen verraten. Die
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