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Das Rote Kornfeld

Das Rote Kornfeld

Titel: Das Rote Kornfeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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nicht einmal Wind abließ. Das einzige, was sich bewegte, waren seine kalten, intelligenten Augen, und das einzige, was zu hören war, war das Gurgeln seiner Wasserpfeife. Großvater und seine Gefährten brachten ihr Anliegen wortreich und energisch vor: «Stellvertretender Direktor, es geht nicht ums Geld. Ein Mann lebt nur einmal, und wenn er schon keine Klöße dämpft, dann sollte man ihm wenigstens gelegentlich einen gedämpften Kloß geben. Lass die Leute nicht auf uns herabblicken, lass nicht zu, dass sie glauben, wir in Nordost-Gaomi taugten nichts!» An dieser Stelle verlegte der alte Cao sein Gewicht von einer Arschbacke auf die andere und furzte gemächlich. «Also, Männer»», sagte er, «ruht euch erst einmal aus. Wenn ihr den Auftrag vermasselt und ein paar von euch dabei zerquetscht werden, ist das auch nicht weiter schlimm. Aber wenn ihr die Ehre der Gemeinde Nordost-Gaomi aufs Spiel setzt und meine Firma ruiniert, dann ist das ganz etwas anderes. Wenn ihr knapp bei Kasse seid, gibt euch der wohltätige stellvertretende Direktor einen Vorschuss.»
    Damit schloss er die Augen. Aber in den Herzen der Träger stieg ein unklarer, kaum definierbarer Ärger auf, und sie bedrängten ihn : «Stellvertretender Direktor, vernichte nicht unsere Ehre und erwecke damit den Ehrgeiz anderer!» Der stellvertretende Direktor antwortete: «Schluck keine Sichel, wenn dein Magen nicht krumm ist. Glaubt ihr, die fünfhundert seien leicht verdientes Geld? Also: Das Anwesen der Familie Qi hat sieben Torwege, und da sollt ihr einen mit Quecksilber gefüllten Sarg durchtragen. Habt ihr das verstanden? Voll Quecksilber, hab ich gesagt! Lasst euch das einmal durch eure Affenhirne gehen und überlegt, was so ein Sarg wohl wiegt.»» Nachdem er sie so beschimpft hatte, beobachtete er seine Träger verstohlen aus den Augenwinkeln. Eine dunkle Wolke senkte sich über die Herzen der Männer. Sie tauschten unsichere Blicke aus, wollten die Angelegenheit nicht einfach auf sich beruhen lassen und wagten doch nicht, sie weiter voranzutreiben. Der alte Cao schnaubte ein paar Mal verächtlich durch die Nasenflügel. «Also los», sagte er, «verschwindet! Lasst die wahren Helden das richtige Geld verdienen. Von kleinen Männern werden kleine Taten überliefert. Geht nur und verdient eure zwanzig oder dreißig Yuan! Seid zufrieden, wenn ihr die papierdünnen Särge der Armen tragen dürft.»
    Das traf die Träger ins Herz wie ein vergifteter Pfeil. Bevor ein anderer sich rühren konnte, trat Großvater vor und sagte mit lauter Stimme: «Stellvertretender Direktor Cao, für einen Dummkopf wie dich zu arbeiten kann einen Mann umbringen. Ein Soldat mit Scheiße im Kopf ist eine Sache, aber ein General mit Scheiße im Kopf ist etwas anderes. Ich kündige!»
    Die heißblütigen jungen Träger stimmten in sein Geschrei ein. Der alte Cao erhob sich aus dem Sessel, ging mit schwerem Schritt auf Großvater zu, klopfte ihm kräftig auf die Schulter und sagte mit echter Überzeugung: «Zhan’ao, du bist ein Mann! Ein echter Spross der Gemeinde Nordost-Gaomi! Die Familie Qi ist doch nur so weit aufgestiegen, weil sie arme Leute wie uns, die sich ihren Lebensunterhalt als Träger verdienen müssen, ausgebeutet hat. Wenn ihr alle zusammenarbeitet und den Sarg raustragt, ist der Ruf der Gemeinde Nordost-Gaomi gerettet. Ruhm kann man auch für noch soviel Geld nicht kaufen. Aber vergesst nicht, die Familie Qi kann sich eines Mitglieds der Hanlin-Akademie rühmen. Achtet deshalb streng auf die Einhaltung von Sitte und Gebräuchen. Es wird nicht leicht sein, diesen Sarg zu tragen. Wenn ihr heute nacht nicht schlafen könnt, bleibt auf und denkt darüber nach, wie ihr durch die sieben Torwege kommen wollt.»
    Wie durch Zufall betraten in diesem Augenblick zwei Männer mit aufgeblasenem Gehabe den Raum und teilten mit, sie seien Hausverwalter der Familie des Akademiemitglieds und wollten die Träger der Gemeinde Nordost-Gaomi anstellen.
    Nachdem die Hausverwalter des Hauses Qi ihr Anliegen vorgebracht hatten, fragte der stellvertretende Direktor Cao, ohne Interesse für den Auftrag zu zeigen: «Was zahlt ihr denn?»
    «Fünfhundert Silberdollar ! So ein Angebot bekommst du nicht noch einmal, Herr Direktor», sagte der eine Hausverwalter.
    Der alte Cao warf das silberne Mundstück seiner Wasserpfeife auf den Tisch und sagte verächtlich grinsend: «Zunächst einmal haben wir so viele Aufträge, wie wir brauchen können, und außerdem schwimmen wir in Geld.

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