Das Rote Kornfeld
zweiten stecken oder fiel in traurig geneigter Kurve zur schwarzen Erde nieder.
Großvater kannte die Züge der Männer vom Jiao-Gao-Regiment. Sie kämpften wie Ertrinkende, und die räuberische Brutalität in ihren Gesichtern traf ihn wie ein Messerstich ins Herz. Die freundschaftlichen Gefühle, die er im Verlauf der Zeit für sie entwickelt hatte, verwandelten sich in zähneknirschenden Abscheu. Nacheinander zerschmetterten seine Schüsse mit grausamer Präzision die verhassten Gesichter. Er war sicher, keine unschuldigen Zuschauer zu treffen. Aber in den einsamen Jahren, die ihm bevorstanden, stieg in ihm immer wieder das Wissen darum auf, dass die Leute, die von Kugeln aus den Gewehren Schwarzauges und der Eisengesellschaft dahingestreckt auf der dunklen Erde lagen, harmlose, friedliche Zivilisten waren.
Vater kroch unter Großvaters beschützenden Armen hervor und zog seine Pistole. Mündungsfeuer und Rückstoß ließen ihn fast in Ohnmacht fallen. Er hatte gefeuert, ohne es zu merken.
Gewohnheitsmäßig verfolgte er die Schussbahn mit den Augen und sah, wie sich die runde Kugel in einen offenen Mund bohrte. Es war der Mund einer jungen Frau mit hochgestecktem Haar. Die wichtigsten Merkmale einer schönen Frau sind üppige rote Lippen, klare weiße Zähne und ein volles Kinn. Großvater hörte ein krächzendes Geräusch aus dem Mund, aus dem weiße Zähne und blutige Fleischfetzen flogen. Sie sah Vater aus zärtlichen graugrünen Augen an, bevor sie auf die schwarze Erde sank und von der Menschenmenge verschluckt wurde.
Im Dorf blies eine Trompete zum Angriff, und Großvater sah hundert oder mehr brüllende Jiao-Gao-Soldaten, die, ihre Gewehre, Säbel und Keulen schwingend, mit ihrem Anführer Füßchen Jiang auf sie zustürmten. Im südlichen Hirsefeld versetzte Wuluan seinem Schecken einen Schlag mit dem Säbelrücken und galoppierte an der Spitze seiner Truppen mit voller Geschwindigkeit nach Norden. Das Pferd schnaufte bald wie ein Asthmatiker, und Schweiß stand dick und klebrig wie Honig auf seinem Nacken. Die fliegende Masse hielt sie auf, also gab er den Befehl, durch die Menschen hindurchzureiten. Wer nicht ausweichen konnte, wurde niedergetreten. Als würden sie in einen Sumpf geritten, warfen die Pferde die Köpfe hoch und wieherten verzweifelt. Zwei Pferde neben Wuluan wurden von der außer Rand und Band geratenen Menschenmenge umgerissen und warfen ihre Reiter ab, die sofort von zahllosen Paaren schwarzer Füße zu Tode getrampelt wurden. Durchdringende Schreie erklangen aus den Kehlen von Pferden und Menschen.
Die Pistole eines Reiters der Jiao-Gao-Truppe - vielleicht war er es gewesen, der den Träger des Ehrenbanners erschossen hatte - hatte Ladehemmung. Er wurde von der Menschenmenge mitgerissen und auf Wuluan zugeschwemmt, dessen hübsches Gesicht plötzlich in grimmiges Zucken verfiel. Als der Mann schließlich doch noch feuerte, ging der Schuss senkrecht in die Luft. Wuluans japanischer Säbel blitzte auf, und die kurzhaarige Schädeldecke des Mannes, die plötzlich Ähnlichkeit mit einer kleinen schwarzen Filzkappe gewann, flog über die Menge hinweg und bespritzte die Gesichter der Zuschauer mit schwarzem Blut.
Auf die schrill hervorgestoßenen Befehle Großvaters hin hatten inzwischen die Soldaten der Eisengesellschaft wieder ihre Stellungen an der Straße bezogen. Aus der Deckung heraus, die Begräbnisbanner und Gedenkzelte boten, feuerten sie auf Füßchen Jiangs Truppen.
Großvaters Männer hatten das Jiao-Gao-Regiment ernsthaft geschwächt. Aber die schlecht bewaffneten Soldaten griffen voll Opfergeist mutig an, und noch während ihre Kameraden, das Gesicht in der Erde vergraben wie Schweine, die nach Trüffeln suchen, von den Kugeln der Eisengesellschaft niedergemäht wurden, gingen sie mit ihren Waffen, die allenfalls für den Nahkampf geeignet waren, zum Sturmangriff über. Sie stürmten in Wellen an, und der alles verachtende Mut, mit dem sie die Soldaten der Eisengesellschaft überrannten, war beeindruckend. Kugeln durchschnitten die Luft. Sobald sie in Wurfweite waren, schleuderten die Jiao- Gao-Soldaten Dutzende von Handgranaten und schlugen die erschreckten Leute der Eisengesellschaft in die Flucht. Gnadenlos folgten den Fliehenden Granatsplitter, die ihr Fleisch zerrissen.
Die Granatsalve trug Verwüstung in die Reihen der Musiker, Stelzengänger und Löwentänzer an den Straßenrändern. Blech- und Holzblasinstrumente, die einst die Trauermusik für andere gespielt
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