Das Rote Kornfeld
Bauch.
Anderthalb Kilometer vor dem Dorf hielt der Zug an, um den Geistern Respekt zu erweisen. Wie immer vollführte der Zeremonienmeister das Ritual begeistert, ernsthaft und gewissenhaft. Plötzlich erklang von der Zugspitze her ein Schuss, und der Soldat, der das Ehrenbanner trug, glitt aufrecht sitzend langsam vom Pferd. Die Bambusstange neigte sich und fiel den Zuschauern am Straßenrand auf den Kopf. Der Schuss versetzte die Menge in Panik. Wie Ameisen rannten die kleinen Häufchen schwarzer Gestalten hin und her. Köpfe neigten sich, Beine sputeten sich, Schreie und Rufe schwollen an wie ein tosender Fluss, der die Deiche gesprengt hat.
Als der Schuss verklang, kamen über ein Dutzend schwarzglänzende Handgranaten aus der Menschenmenge zu beiden Seiten der Straße gesegelt und landeten vor den Füßen der Soldaten der Eisengesellschaft. Dort lagen sie und spieen weißen Rauch aus.
«Dorfgenossen, werft euch auf die Erde!» rief jemand.
Aber sie standen so eng gedrängt, dass sie sich kaum bewegen konnten. Erschreckt sahen sie zu, wie sich die Soldaten zu Boden warfen und wie die Handgranaten mit ihren langen weißen Holzstielen zitterten und zischten und den dunkelblauen Terror des Todes verbreiteten.
Mit der Explosion der Handgranaten verbreiteten sich gewaltige goldene Windböen fächerförmig in der Luft. Über ein Dutzend Soldaten waren tot oder verwundet, unter ihnen auch Schwarzauge, der an der Hüfte getroffen war. Er bedeckte die blutende Wunde mit der Hand und rief nach seinem Gehilfen: «Fulai... Fulai ...»
Aber Fulai, der so alt war wie Vater, konnte nicht mehr antworten, konnte ihm nicht mehr zu Hilfe kommen. Am vorigen Abend, als man die beiden Murmeln, die grüne und die rote, in den Kleidern des Kräuterarztes gefunden hatte und als Vater ihm die grüne gegeben hatte, hatte er sie in den Mund gesteckt und wie ein kostbares Juwel mit der Zunge umhergerollt. Vater sah die grüne Murmel, strahlend grün wie Jade, in dem Strom frischen Bluts, der aus Fulais Mund quoll, so grün, wie nur irgend etwas auf der Welt sein konnte, grün strahlend wie die Fuchsgeister der Legende, wenn sie das Elixier des Lebens ausspucken.
Ein bohnengroßer gelber Granatsplitter traf den Zeremonienmeister mitten in seinem Ritual in die Halsschlagader. Blutüberströmt sank er zu Boden, die bronzene Trinkschale fiel neben ihn, und ihr Inhalt ergoss sich über die schwarze Erde, wo er zu hellem Nebel wurde. Wie ein Regenschauer sickerte das Blut in die schwarze Erde und bildete eine faustgroße Pfütze. Der große Baldachin neigte sich zur Seite und gab Großmutters schwarzen Sarg frei.
«Dorfgenossen», ertönte noch einmal die Stimme vom Straßenrand, «werft euch zu Boden!»» Noch eine Granatsalve. Die Arme um Vater geschlungen, warf sich Großvater zu Boden und ließ sich in den Straßengraben fallen. Dutzende von Füßen trampelten über seinen verletzten Arm, aber er spürte nur den Druck, nicht den Schmerz. Über die Hälfte der Soldaten der Eisengesellschaft hatten die Waffen von sich geworfen und die Flucht ergriffen. Der Rest stand wie gebannt da und wartete darauf, dass die Granaten explodierten. Schließlich konnte Großvater einen Mann ausmachen, der gerade dabei war, eine Handgranate zu werfen. Sein Gesicht glich dem langen grauen Band der Straße, über dem hochmütig tonfarbener Staub lag, und zeigte die verschlagene Miene eines Fuchses. Er erkannte ihn. Das war das Jiao-Gao-Regiment, Füßchen Jiangs Leute!
Noch eine Salve heftiger Explosionen. Mündungsfeuer über der Straße, aufwirbelnder Staub am Himmel, Granatsplitter, die wie Heuschrecken in alle Richtungen ausschwärmen und die Menschen niedermähen wie Getreide. Die Explosion riss ein Dutzend Soldaten der Eisengesellschaft in Stücke. Die Luft füllte sich mit dem Gestank von Blut und Eingeweiden. Abgerissene Glieder fielen wie Hagel über die Zuschauer.
Großvater zog mühsam die Pistole und zielte auf den auf und nieder tanzenden Kopf des Jiao-Gao-Soldaten. Er drückte auf den Abzug und traf den Mann genau zwischen den Augen. Die grünen Augäpfel flogen wie Motteneier aus ihren Höhlen.
«Zum Angriff, Kameraden, holt euch ihre Waffen !>» ertönte der Befehl aus der Menge.
Jetzt, da sie sich vom ersten Schock erholt hatten, richteten Schwarzauge und seine Soldaten die Gewehre auf die Menge. Jede Kugel, die den Lauf verließ, biss sich in menschliches Fleisch. Jedes Geschoß durchschlug wenigstens einen Körper und blieb in einem
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