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Das Rote Kornfeld

Das Rote Kornfeld

Titel: Das Rote Kornfeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Wasserfläche schwamm eine Schicht von Hirsekörnern. Als die Sänfte am Eingangstor ankam, empfing sie ein zusammengeschrumpfter alter Mann mit einem winzigen Zopf, der aussah wie eine weiße Bohne. Der Regen hatte aufgehört, aber platschend fielen noch einzelne Tropfen auf den nassen Boden. Die Musiker mit ihren Instrumenten hatten ihre Ankunft angekündigt, aber niemand war gekommen, um das Spektakel zu bestaunen, und Großmutter wusste, dass das ein schlechtes Zeichen war. Zwei Männer, einer von etwa vierzig, einer von etwa fünfzig Jahren, kamen ihr entgegen, um sie bei der Empfangszeremonie zu unterstützen. Der Fünfzigjährige war niemand anderes als Onkel Liu Luohan, der andere war ein Brauereigehilfe.
    Die Musiker und Sänftenträger standen wie begossene Hühner im Wasser und sahen mit ernsthafter Miene zu, wie die zwei vertrockneten Männer meine Großmutter mit ihren weichen Gliedern und rosenfarbenen Wangen in das dunkle Brautgemach trugen. Eine dichte Wolke von Alkoholdünsten umwaberte die beiden Männer, und Großmutter kam es vor, als habe man sie in Fässern voll Hirseschnaps eingeweicht.
    Als sie die Empfangshalle betrat, bedeckte der übelriechende, beklemmende Schleier noch ihr Gesicht. Vom fauligen Geruch brennender Kerzen umgeben, hielt sie sich an einem weichen Seidenband fest, und irgend jemand führte sie irgendwohin. Der Weg, den sie ging, war dunkel und bedrückend und voll von Schrecken. Man hob sie auf ein gemauertes Bett und forderte sie auf, sitzen zu bleiben. Da niemand kam, um ihr den roten Schleier abzunehmen, nahm sie ihn selbst ab. Neben dem Bett kauerte ein Mann mit zuckendem Gesicht auf einem Hocker. Die untere Hälfte seines flachen, länglichen Gesichts war rot entzündet und von schwärenden Wunden bedeckt. Er stand auf und streckte eine Hand wie eine Vogelklaue nach Großmutter aus. Die schrie vor Entsetzen laut auf und griff nach der Schere in ihrem Mieder. Sie richtete sich auf und warf dem Mann einen harten, strengen Blick zu. Der schreckte zurück und ließ sich wieder auf seinem Hocker nieder. Großmutter ließ die Schere die ganze Nacht nicht aus der Hand, und der Mann mit dem flachen, länglichen Gesicht verließ nicht einmal seinen Hocker.
    Früh am nächsten Morgen, bevor ihr Mann aufgewacht war, glitt Großmutter leise vom Bett, stürzte durch die Haustür und öffnete das Tor. Als sie gerade fliehen wollte, ergriff sie eine Hand. Der alte Mann mit dem bohnenförmigen Zopf hielt ihr Handgelenk fest und starrte sie hasserfüllt an.
    Shan Tingxiu hustete ein paar Mal trocken und bemühte sich um einen milderen Gesichtsausdruck. «Kind», sagte er, «jetzt, wo du verheiratet bist, bist du für mich wie meine eigene Tochter. Es stimmt nicht, dass Bianlang die Krankheit hat, von der sie alle reden. Hör nicht auf ihr Geschwätz ! Wir haben ein gutgehendes Geschäft, und Bianlang ist ein braver Junge. Jetzt, wo du einmal hier bist, bist du für das Haus verantwortlich.» Shan Tingxiu streckte ihr einen bronzenen Schlüsselring entgegen. Großmutter nahm ihn nicht an.
    Großmutter saß die ganze nächste Nacht mit der Schere in der Hand aufrecht und wach auf dem Bett.
    Am Morgen des dritten Tages führte mein Urgroßvater mütterlicherseits einen kleinen Esel vor das Haus, um Großmutter mit nach Hause zu nehmen. In der Gemeinde Nordost-Gaomi war es Sitte, dass die Braut drei Tage nach der Hochzeit ins Haus ihrer Eltern zurückkehrte. Mein Urgroßvater verbrachte den Vormittag damit, mit Shan Tingxiu zu trinken, und machte sich gegen Mittag auf den Heimweg.
    Großmutter saß im Damensitz auf einer dünnen Decke auf dem Esel und schwankte von einer Seite zur anderen, als das Tier das Dorf verließ. Obgleich es seit drei Tagen nicht mehr geregnet hatte, war die Straße noch immer nass, und aus den Hirsefeldern am Wegrand stieg Dampf auf. Die grünen Halme wurden von kreisendem Weiß verschleiert, als seien die Unsterblichen zur Erde hinabgestiegen. In den Satteltaschen klirrten und klimperten Urgroßvaters Silbermünzen. Er war so betrunken, dass er kaum gehen konnte, und seine Augen waren glasig. Der Esel schritt langsam voran. Sein langer Hals schwankte auf und nieder, und die kleinen Hufe ließen auf der nassen Straße klare Spuren zurück. Großmutter war erst ein kurzes Stück geritten, als ihr schwindlig wurde. Ihre Augen waren rot und verquollen, ihr Haar war ungekämmt, und die Hirse im Feld, die viel höher stand als vor drei Tagen, verspottete sie im

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