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Das Rote Kornfeld

Das Rote Kornfeld

Titel: Das Rote Kornfeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Hand, mit aufgerissenen Augen und offenem Mund stockstill stehen. «Mutter meiner Kinder», kreischte er. Bevor er einen Schritt tun konnte, rissen Dutzende von Maschinengewehrkugeln einen fast durchsichtigen Halbmond in seinen Bauch. Blutige Kugeln rauschten über Kommandant Yus Kopf durch die nasse Luft.
    Wang Wenyi fiel von der Böschung und rollte genau gegenüber der Leiche seiner Frau ins Wasser. Sein Herz schlug noch, und sein Kopf und Gesicht wiesen keine Spuren von Gewalt auf. Ein Gefühl vollkommener Einsicht breitete sich in ihm aus.
    Vater hat mir einmal erzählt, dass Wang Wenyis Frau ihrem Mann drei Söhne hintereinander geschenkt hatte. Sie fütterte sie so gut, dass sie rundlich, munter und gesund heranwuchsen. Eines Tages waren Wang Wenyi und seine Frau zur Arbeit in die Hirsefelder gegangen und hatten ihre Kinder im Hof beim Spiel gelassen. Ein japanischer Doppeldecker war mit seltsam knurrendem Geräusch durch die Luft über dem Hause geflogen und hatte ein einziges Ei gelegt: ein Volltreffer direkt in Wang Wenyis Hof. Alle drei Kinder wurden in Fetzen gesprengt, die zum Dachfirst hochflogen, von den Ästen der Bäume hingen, die Wand mit Flecken übersäten. Am Tag, an dem Kommandant Yu die Flagge des Widerstands gegen die Japaner hisste, brachte Wang Wenyis Frau ihren Mann in unser Haus.
    Zähneknirschend, wutstarrend blickte Kommandant Yu auf Wang Wenyi herab, der mit dem Kopf zur Hälfte im Flusswasser lag. «Keine Bewegung», zischte er leise.
     
     
8
     
    Hirsekörner tanzen über Großmutters Gesicht. Ein Korn fällt zwischen ihre leicht geöffneten Lippen und bleibt auf den makellos weißen Zähnen liegen. Vater sieht auf ihre Lippen, die allmählich blass werden, und seufzt: «Mama.» Seine Tränen fallen auf ihre Brust. Unter einer Perlendecke von Hirse öffnet sie die Augen. Regenbogenfarben schimmert Perlenglanz in ihren Augen. «Sohn», sagt sie, «dein Vater ...»
    «Er kämpft. Vater kämpft.»
    «Er ist dein wirklicher Vater ...», sagt Großmutter. Vater nickt. Großmutter versucht, sich aufzurichten, aber wenn sie sich bewegt, quellen Blutströme aus den beiden Wunden.
    «Warte, Mama, ich hole ihn», sagt Vater.
    Sie macht eine abwehrende Handbewegung und setzt sich auf. «Douguan, mein Sohn, hilf deiner Mutter. Wir wollen nach Hause gehen, nach Hause ...»
    Vater fällt auf die Knie, legt ihre Arme um seinen Hals und richtet sich dann mühsam auf. Das frische Blut fließt über seinen Hals, und der Duft von Hirsebrand steigt ihm in die Nase. Unter dem Gewicht ihres Körpers werden seine Beine schwach, als er über das Hirsefeld taumelt. Kugeln pfeifen über ihre Köpfe und schlachten die Hirsehalme um sie. Die dicht wuchernden Pflanzen auseinanderschiebend, bewegt er sich mühsam Schritt für Schritt voran, und Schweißtropfen und Tränen legen sich zusammen mit Großmutters frischem Blut wie eine Maske über sein Gesicht. Im Vorübergehen peitschen die Hirseblätter seinen Körper, und Großmutter scheint immer schwerer zu werden. Er stürzt, und Großmutters Körper fällt über ihn. Mühsam kriecht er unter ihr hervor, und als er sie auf den Rücken gebettet hat, blickt sie zu ihm auf, stößt einen langgezogenen Seufzer aus und lächelt schwach. Hinter diesem Lächeln liegt ein unergründliches Geheimnis, das sich wie ein Brandzeichen in sein Gedächtnis gräbt.
    Großmutter liegt auf dem Boden, und langsam schwindet die Wärme aus ihrer Brust. Vage bemerkt sie, dass ihr Sohn ihr die Jacke aufknöpft, dass seine Hände erst die Wunde über ihrer Brust bedecken, dann die Wunde unter ihrer Brust. Ihr Blut färbt seine Hand erst rot, dann grünlich. Ihr eigenes Blut färbt ihre makellose Brust erst grün, dann rot. Kugeln haben ihre stolze Brust durchbohrt und die rosafarbene Honigwabe darunter entblößt. Vater leidet Höllenqualen bei dem Anblick. Er kann das Blut nicht stillen, und während er es verströmen sieht, kann er sehen, wie ihr Gesicht blasser wird. Ihr Körper wird so leicht, dass er jeden Augenblick in die Luft zu schweben droht.
    Zufrieden blickt Großmutter in die fein geschnittenen Gesichtszüge meines Vaters, des Kindes, das Kommandant Yu und sie im Schatten der Hirse gezeugt haben. Lebendige Bilder einer unwiederbringlichen Vergangenheit rasen vor ihren Augen vorbei wie Rennpferde.
    Es regnete, als sie in der Brautsänfte saß wie in einem Boot auf dem Meer und zu Shan Tingxius Gehöft getragen wurde. Die Straßen waren überschwemmt, und auf der

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