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Das Rote Kornfeld

Das Rote Kornfeld

Titel: Das Rote Kornfeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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könne sie das Blut kräftig und kühn durch die Adern unter seiner behaarten Brust strömen sehen. Leichter Nebel lag über den Hirsepflanzen, und ringsum war das Geräusch des Wachstums zu hören. Kein Wind, kein Wehen im Korn. Weißglühende Strahlen feuchten Sonnenlichts kreuzten sich in den offenen Spalten zwischen den Pflanzen. Die Leidenschaft, die sich sechzehn Jahre lang in Großmutters Herz angestaut hatte, brach plötzlich aus. Sie zuckte und wand sich auf dem Mantel. Yu Zhan’ao, der immer kleiner wurde, fiel geräuschvoll neben ihr auf die Knie. Sie zitterte von Kopf bis Fuß. Vor ihren Augen knisterte und glühte eine duftende Kugel aus gelbem Feuer. Stürmisch riss Yu Zhan’ao ihre Jacke auf und legte die kleinen weißen Hügel kühlen, gespannten Fleisches im Sonnenlicht bloß. Die Energie, mit der er vorging, ließ ihre Nerven in einer Mischung von Schmerz und Freude singen. Mit ersterbender Stimme rief sie: «Mein Gott ...» und fiel in Ohnmacht.
    Großmutter und Großvater tauschten ihre Liebe in der Lebenskraft des Hirsefeldes aus. Zwei unbezähmbare Seelen, die sich weigerten, auf die Konventionen der Welt zu hören, verschmolzen enger miteinander als ihre lustbesessenen Körper. Sie pflügten die Wolken und sprühten Regen über das Feld und fügten der reichen und bunten Geschichte der Gemeinde Nordost-Gaomi eine neue, warme blutrote Lackschicht hinzu. Man kann sagen, dass mein Vater in der Essenz des Himmels und der Erde, der Kristallisation von Leiden und wilder Freude empfangen wurde.
    Laut schreiend bahnte sich der Esel einen Weg durch das Hirsefeld. Großmutter kehrte aus dem verschwommenen Reich des Himmels in die grausame Welt der Menschen zurück. Tränen strömten über ihr Gesicht. «Er hat wirklich Lepra», sagte sie. Großvater kniete nieder, und wie durch Zauber erschien plötzlich ein Schwert mit einer siebzig Zentimeter langen Klinge in seiner Hand. Er zog es aus der Scheide. Die Klinge war gebogen wie ein Lauchblatt. Mit einem zischenden Schlag fuhr das Schwert durch zwei Hirsehalme. Die Oberhälften fielen zu Boden und hinterließen dunkelgrüne flüssige Blasen auf den glatten, schräg geneigten Schnittflächen.
    «Egal, was geschieht, komm in drei Tagen wieder», sagte Großvater.
    Großmutter blickte ihn verständnislos an. Er zog sich an, und sie machte sich fertig. Er steckte das Schwert weg; sie konnte nicht sehen wohin. Großvater brachte sie wieder an die Straße, dann verschwand er.
    Drei Tage später brachte der kleine Esel Großmutter zurück, und als sie das Dorf erreichte, erfuhr sie, dass Vater und Sohn Shan ermordet worden waren. Man hatte ihre Leichen in der Bucht am westlichen Dorfrand gefunden.
    Großmutter liegt da und saugt die klare Wärme des Hirsefeldes auf. Sie fühlt sich so leicht wie eine Schwalbe, die schwerelos über den Pflanzen schwebt. Die fliehenden Bilder werden langsamer: Shan Bianlang, Shan Tingxiu, Urgroßvater, Urgroßmutter, Onkel Luohan. Die feindlichen, dankbaren, wilden, aufrichtigen Gesichter erscheinen und verschwinden. Sie schreibt die letzte Seite ihrer dreißigjährigen Geschichte. Ihre Vergangenheit wird zu einer reichen Ernte süßer, duftender Früchte, die immer schneller zu Boden fallen. Was ihre Zukunft angeht, so kann sie nur noch ein paar verschwimmende Lichtflecken sehen, die schnell erlöschen. Sie hält sich mit aller Kraft an der flüchtigen, klebrigen und dennoch schlüpfrigen Gegenwart fest.
    Sie fühlt Vaters kleine Hände, die sie streicheln. Ängstlich ruft er nach seiner Mutter. All ihre Liebe und ihr Hass verflüchtigen sich. Funken der Lebensfreude sprühen aus ihrem Bewusstsein, einem Bewusstsein, das zu gleichen Teilen von Wärme und Feindschaft erfüllt ist. Sie will den Arm heben und Vaters Gesicht streicheln, aber er gehorcht ihr nicht. Sie erhebt sich in die Lüfte und sieht einen bunten Lichtstrahl, der vom Himmel fällt, und sie hört die feierliche Himmelsmusik, die Holz- und Blechblasinstrumente aller Größe spielen.
    Großmutter ist erschöpft. Der Griff, an dem sie die glatte, schlüpfrige Gegenwart hält, der Griff der Menschenwelt, entgleitet ihren Händen. Ist das der Tod? Sterbe ich? Werde ich diesen Himmel, diese Erde, diese Hirse, diesen Sohn, diesen Liebhaber, der seine Männer ins Gefecht geführt hat, nie wiedersehen? Das Gewehrfeuer ist so weit weg, hinter einem dichten Nebelvorhang. Douguan! Douguan, mein Sohn! Komm und hilf deiner Mutter. Zieh deine Mutter zurück ins Leben. Deine

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