Das Rote Kornfeld
rotes Gesicht, vorstehende Augen, einen geraden Mund und einen dünnen Schnurrbart. Er trug ein dunkelgrünes Amtsgewand mit einem braunen Wollhut und stützte sich auf einen Spazierstock.
Richter Cao war gerade dabei, über einen Streit zu entscheiden, und um ihn hatte sich ein größeres Publikum angesammelt. Von dem Anblick beeindruckt, wagte Onkel Luohan nicht, sich vorzudrängen, sondern führte sein Maultier aus der Menge heraus. Jetzt versperrten die auf und nieder hüpfenden Köpfe ihm die Aussicht auf das, was vorne geschah. Dann kam ihm eine Idee : Er bestieg sein Maultier und hatte plötzlich den besten Platz im Publikum.
Neben dem hochgewachsenen Richter Cao stand ein dürrer kleiner Mann. Onkel Luohan nahm an, dass es sich um den kleinen Yan handelte, von dem der Wachposten gesprochen hatte. Mit schweißüberströmten Gesichtern standen zwei Männer und eine Frau in ehrerbietiger Haltung vor Richter Cao. Das Gesicht der Frau, die zwischen den beiden Männern stand, war um so nasser, weil es auch noch in Tränen gebadet war. Vor ihren Füßen lag eine fette Henne auf dem Boden.
«Hochwürdiger Richter, Euer Ehren», stieß die Frau unter Tränen hervor, «meine Schwiegermutter hört nicht mehr auf zu menstruieren, und wir haben kein Geld, um Medizin für sie zu kaufen. Deshalb wollen wir diese Leghenne verkaufen ... aber er sagt, es sei seine Henne ...»
«Sie lügt. Es ist meine Henne. Wenn Ihr mir nicht glaubt, fragt meinen Nachbarn.»
Richter Cao zeigte auf einen Mann, der ein Käppchen trug, und fragte: «Kannst du das bestätigen?»
Der Mann mit dem Käppchen sagte: «Ehrenwerter Richter, der alte Wu Drei ist mein Nachbar, und seine Henne - eben die da - wandert jeden Tag in unseren Hof und stiehlt meinen Hühnern das Futter. Meine Frau beschwert sich ständig darüber.»
Die Frau verzog stumm das Gesicht und fing wieder an zu weinen.
Richter Cao nahm seinen Hut ab, drehte ihn ein paar Mal auf dem Mittelfinger und setzte ihn wieder auf. Dann frage er Wu Drei: «Womit hast du dein Huhn heute morgen gefüttert?»
Der alte Wu rollte mit den Augen und antwortete: «Mit Getreidemaische und Kleie.»
«Das ist wahr», bestätigte der Mann mit dem Käppchen, «ich war heute früh bei ihm, um mir eine Axt zu besorgen, und habe gesehen, wie seine Frau das Hühnerfutter gemischt hat.»
Richter Cao wandte sich an die weinende Frau: «Weine nicht, Bäuerin. Erzähl mir lieber, womit du deine Hühner heute früh gefüttert hast.»
«Hirse», stieß sie unter Tränen hervor.
«Kleiner Yan», sagte der Richter, «schlachte das Huhn!»
Blitzschnell schlitzte Yan den Kropf der Henne auf und quetschte einen klebrigen Brei von Hirsekörnern daraus hervor.
Mit bedrohlichem Lachen sagte Richter Cao: «Alter Wu Drei, du bist ein echter Schuft. Du hast den Tod dieser Henne verursacht, deshalb wirst du sie bezahlen. Drei Silberdollar!»
Zitternd wie Espenlaub griff der alte Wu in die Tasche und zog zwei Silberdollar und zwanzig Kupferstücke heraus. «Ehrenwerter Richter», sagte er ängstlich, «das ist alles, was ich habe.»
«Du kommst billig davon», sagte Richter Cao und gab der Frau das Geld.
«Euer Ehren», sagte die Frau, «Herr Richter, so viel ist eine Henne doch nicht wert. Ich will nur das, was sie wert ist.»
Cao Mengjiu schrie überrascht auf und schlug sich mit der Hand an die Stirn. «Du bist eine anständige, ehrliche Frau, und Cao Mengjiu verneigt sich vor dir.» Er schlug die Hacken zusammen, nahm den Hut ab und verbeugte sich.
Die arme Frau war so verwirrt, dass sie Cao Mengjiu nur aus ihren tränennassen Augen anstarren konnte. Als sie sich wieder gefasst hatte, fiel sie auf die Knie und stammelte immer wieder: «Euer Ehren, der aufrechte Beamte! Euer Ehren, der aufrechte Beamte!»
Richter Cao steckte seinen Spazierstock in ihre Armbeuge und sagte: «Steh auf! Steh auf!»
Die Bäuerin stand auf.
«Du bist in ärmlicher Kleidung und offensichtlich bei schwacher Gesundheit auf den Markt gekommen, um für deine Schwiegermutter eine Henne zu verkaufen, und daran erkenne ich, was für eine pietätvolle Tochter du bist. Nichts beeindruckt den Richter mehr als kindliche Pietät. So liegen Strafe und Belohnung fest. Nimm das Geld und kümmere dich um deine Schwiegermutter. Und nimm das Huhn auch mit. Nimm es aus und koche deiner Schwiegermutter eine schöne Suppe.»
Das Geld in der einen Hand, das Huhn in der anderen, verließ die Bäuerin Dankessprüche murmelnd den Marktplatz.
Die
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