Das Rote Kornfeld
vor Schmerzen bebend, zu Vater und griff mit zitternder Hand nach den beiden Hälften der Fotografie. Offensichtlich bemühte er sich, auch den gebrochenen Arm zu verwenden, der schlaff und nutzlos herabhing und seinen Befehlen nicht mehr folgte. Blut tropfte von seinen gelblichen Fingerspitzen. Während er versuchte, mit der Hand, die er noch benutzen konnte, die beiden Hälften seiner Frau und seines Sohnes zusammenzufügen, zitterten seine trockenen, aufgesprungenen Lippen, seine Zähne klapperten, und abgehackte, unverständliche Satzbrocken fielen aus dem Mund.
Zwei Ströme glitzernder Tränen liefen über seine hageren, verschmutzten Wangen. Er hob das Foto an die Lippen und küsste es. Aus seiner Kehle drang ein gurgelndes Geräusch.
«Du verdammter Schweinehund! Du kannst also auch weinen? Wenn du sogar deine Frau und dein Kind küssen kannst, warum läufst du dann rum und ermordest unsere Frauen und Kinder? Glaubst du, deine nach Pisse stinkenden Tränen halten mich davon ab, dich umzubringen?» schrie Großvater und hob die glänzende Klinge des japanischen Säbels über den Kopf.
«Vater», rief mein Vater und griff mit beiden Händen nach Großvaters Arm, «Vater, töte ihn nicht!»
Großvaters Arm zitterte zwischen Vaters Händen, der mit seinen Augen voller Tränen und Mitleid Großvater anflehte, dessen Herz vom vielen Töten stumpf geworden war.
Großvater senkte den Kopf, und in diesem Moment trug der Wind das erderschütternde Donnern einer Mörsersalve und das helle Trommeln des Maschinengewehrfeuers zu ihnen herüber, mit dem die Japaner den Widerstand des Dorfes brechen wollten. Aus der Tiefe der Hirsefelder hörte man das schrille Wiehern japanischer Pferde und den schweren Schlag ihrer Hufe auf dem dunklen Acker. Wütend riss Großvater seinen Arm aus Vaters Griff und schleuderte ihn beiseite.
«Was bildest du dir ein, du kleiner Scheißer? Für wen sind diese Tränen? Für deine Mutter? Für Onkel Luohan? Für den Stummen und all die anderen Kameraden?»» brüllte Großvater ihn an. «Weinst du etwa um diesen nichtsnutzigen Schweinehund? Hat nicht deine Pistole sein Pferd gestürzt? Hat er nicht versucht, dich umzureißen und mit dem Säbel in Stücke zu schlagen? Trockne deine Tränen, Sohn, und töte ihn mit seinem eigenen Säbel!»
Mit tränenüberströmtem Gesicht zog Vater sich zurück.
«Komm her!»
«Nein, Vater ... ich kann nicht ...»
«Feigling, verfluchter!»
Großvater verpasste Vater einen Tritt, ging dann einen Schritt zurück, um etwas Abstand von dem japanischen Kavalleristen zu nehmen, und hob den Säbel über den Kopf.
Vater sah den glänzenden Stahl, der im Bogen an ihm vorüberrauschte, und dann nichts mehr. Großvater ließ den Säbel auf den Japaner fallen, und Vater hörte ein flüssig-klebriges, reißendes Geräusch, das die dumpfen Schläge der japanischen Mörser übertönte, auf Vaters Trommelfell aufschlug und seine Eingeweide sich zusammenkrampfen ließ. Als er wieder sehen konnte, lag der hübsche junge japanische Kavallerist in zwei Hälften geschnitten vor ihm auf dem Boden. Die Klinge war an der linken Schulter eingedrungen und rechts über den Rippen wieder hervorgetreten. Seine bunten Eingeweide zuckten und dampften und verströmten einen überwältigenden heißen Gestank. Vater fühlte, wie seine eigenen Därme sich verkrampften und bis in die Kehle hochzusteigen schienen. Ein grüner Wasserfall drängte sich aus seinem Mund. Er drehte sich um und rannte davon.
Auch wenn Vater es nicht über sich brachte, die starren Augen des japanischen Kavalleristen unter ihren langen Wimpern anzublicken, konnte er das Bild der Leiche nicht vergessen, die in zwei Hälften geschnitten dalag. Großvaters Säbelhieb hatte alles in zwei Hälften zerschlagen, sogar Großvater selbst. Vor Vaters innerem Auge zog plötzlich das groteske Bild eines blutgetränkten Säbels vorbei, der am Himmel glänzend alle in zwei Hälften schlug, wie man Melonen spaltet oder Gemüse hackt: Großvater, Großmutter, Onkel Luohan, den japanischen Kavalleristen mit seiner Frau und seinem Kind, den Stummen, den großen Liu, die Brüder Fang, den Schwindsüchtigen Vier, Adjutant Ren, alle und jeden.
Großvater warf den von klebrig-blutigem Schaum bedeckten Säbel zu Boden und lief hinter Vater her, der blindlings durch die Hirse rannte. Neue japanische Reitertruppen stürzten sich wie ein Wirbelwind auf sie. Mörsergranaten pfiffen durch den Himmel über dem Hirsefeld und explodierten
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