Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Titel: Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel-Erasmus Khan
Vom Netzwerk:
Konferenz denn auch ganz offiziell und formal korrekt «im Namen der Schweiz» zum Erfolg führen.
    Mit taktischem Geschick wies Dufour in seiner Eröffnungsrede (natürlich war er auch zum Präsidenten der Konferenz bestimmt worden) das alleinige Verdienst am Zustandekommen der Konferenz Frankreich zu. Die Schweiz sei nur wegen ihrer geringen Größe und ihrer Neutralität als Ausrichter auserkoren und Genf nur als Geburtsort der Idee als Tagungsort gewählt worden. Auch wenn Frankreich sicher eine Schlüsselrolle zukam, eine bescheidene Relativierung der eigenen Rolle «um der Sache willen» war unverkennbar und kennzeichnet die Tätigkeit des Roten Kreuzes in gewisser Weise bis heute.
    Bereits zuvor, im März 1864, hatte das Komitee auch seine erste praktische Bewährungsprobe zu bestehen. Es entsandte zwei Delegierte auf den Kriegsschauplatz des Schleswigschen Krieges, einen auf die deutsche Seite der Frontlinie (Dr. Appia) und einen hinter die dänischen Linien (Charles van der Velde). Nur auf diese Weise könne der Anspruch auf «Unparteilichkeitund Internationalität» gewahrt werden, so das Komitee ausdrücklich auf seiner Sitzung vom 13. März 1864. Während Dr. Appia mit offenen Armen empfangen wurde und er bei seinem Einsatz an der Front im Einklang mit den Beschlüssen vom Oktober des vergangenen Jahres erstmals eine weiße Armbinde mit rotem Kreuz trug, war die Mission auf dänischer Seite schwierig. Wie konnte man moralische Autorität beanspruchen und angesichts der preußischen Aggression schweigen? – so lauteten die Vorwürfe in der dänischen Presse an das Genfer Komitee und seinen Delegierten. Das Komitee verteidigte seine Position vehement: Guter Samariter und Schiedsrichter gleichzeitig konnte und wollte man nicht sein. Langfristig hat sich diese konsequente Neutralitätsposition für das Komitee ausgezahlt und auch kurzfristig war sie ein Erfolg. Die endgültige Zustimmung Frankreichs zur Genfer Konferenz (Brief vom 21. Mai 1864) nahm ausdrücklich Bezug auf die erfolgreiche Mission in Schleswig. In der Tat, eine Hilfsorganisation, die selbst im Angesicht eines ganz offensichtlichen Aggressionskrieges Neutralität wahrte, konnte für eine Großmacht wie Frankreich durchaus von Nutzen sein.
    In seinem ersten Rundschreiben vom 12. Juli 1864 lud das Internationale Komitee schließlich die bis dahin gegründeten nationalen Komitees dazu ein, am 8. August ihre Vertreter für einen Besuch nach Genf zu schicken. Natürlich könnten diese nicht an den offiziellen Sitzungen der «zufällig» zeitgleich stattfindenden Diplomatischen Konferenz teilnehmen. Aber an deren Rande – so fährt das Schreiben fort – würde es sicher nicht an Gelegenheiten mangeln, mit den Staatenvertretern Gespräche zu führen und Ideen auszutauschen, was nach Ansicht des Komitees «extrem ertragreich» sein könnte. Ein wenig humanitärer Lobbyismus von nichtstaatlicher Seite, wohldosiert, zur rechten Zeit und am rechten Ort eingesetzt, vermag die humanitäre Sache durchaus zu befördern. Auch heute, 150 Jahre später, gilt in Genf und anderswo nichts anderes.
    Nach Frankreich und der Schweiz (September/Oktober 1864) trat in rascher Folge praktisch die gesamte europäische Staatenwelt der Genfer Konvention bei, einschließlich der Türkei,die damit ihren Platz in der europäischen Völkerrechtsfamilie festigte. Auch der Heilige Stuhl, der – ebenso wie zuvor Bayern und Österreich – aus religiösen Gründen lange gezögert hatte, tat diesen Schritt dann 1868 doch noch: Den Verwundeten könne so der religiöse Beistand leichter und regelmäßiger gespendet werden.
    Ein bitterer Abschied. Seit dem 10. Rundschreiben vom 28. Oktober 1867 an die inzwischen 21 nationalen Komitees trägt der Briefkopf des Internationalen Komitees in Genf auch ganz offiziell ein Rotes Kreuz. Sein geistiger Vater, Henry Dunant, hatte das Komitee zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen müssen, verdrängt durch persönliche Animositäten und Meinungsverschiedenheiten mit dem neuen starken Mann der Bewegung, Gustave Moynier. Man mag erwägen, ob die Vernichtung der bürgerlichen Existenz Dunants im sittenstrengen Milieu Genfs auch die Reputation des Komitees selbst ernsthaft in Mitleidenschaft hätte ziehen können. Echte Indizien hierfür sind aber nicht erkennbar und so war der schwere Bankrott Dunants für das Komitee wohl doch nur ein willkommener Vorwand, um sich endgültig von ihm zu trennen. Der Prophet gilt im eigenen Lande wenig,

Weitere Kostenlose Bücher