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Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Titel: Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel-Erasmus Khan
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vor allem wenn er dessen sozialen Normen nicht genügt. Auf seine (letztlich erzwungene) Bitte, vom Posten des Sekretärs entbunden zu werden (August 1867), antwortete ihm das Komitee ausweislich des Protokolls der Sitzung vom 6. September 1867 mit kühlen Worten, dass nicht nur diese Demission angenommen sei, sondern auch diejenige als Mitglied des Komitees selbst. Einen derart umfassenden Abschied von seinem humanitären Lebenswerk aber hatte Dunant tatsächlich nie beantragt.
    Am 21. Februar 1873 hielt Gustave Moynier vor der Genfer Gemeinnützigen Gesellschaft einen langen Vortrag über die Ursprünge des Roten Kreuzes und seine Entwicklung in den ersten zehn Jahren ihres Bestehens. Henry Dunant wird hierin mit keinem Wort erwähnt! Noch fast 30 Jahre später, als Henry Dunant für den Nobelpreis nominiert worden war, reagierte das Internationale Komitee – immer noch unter der PräsidentschaftMoyniers – indigniert mit einer Gegenkandidatur. Und auch nach der Entscheidung zugunsten von Dunant erwies sich das Komitee als schlechter Verlierer. In zwei Artikeln seines «Bulletin International» (1/1902 und 4/1902), die tatsächlich wohl allein aus der Feder Moyniers stammten, insistierte es, dass man Dunant allenfalls als Ideengeber anerkennen könne. Der Gründer des Roten Kreuzes aber sei er zweifellos nicht gewesen. Indes, diese und weitere Versuche, Henry Dunant aus dem kollektiven Gedächtnis der Rotkreuzbewegung zu verdrängen, misslangen. So sollte Gustave Moynier, der die Geschicke der Bewegung für über 40 Jahre maßgeblich bestimmte – als Präsident des Komitees und durch eine umfangreiche Publikationstätigkeit –, zwar deren eigentlicher Baumeister werden. Nach seinem Tod im Jahre 1910 geriet er jedoch bald in Vergessenheit, ganz anders als der im selben Jahr verstorbene geistige Architekt des Roten Kreuzes, Henry Dunant.
    Eine beeindruckende (Zwischen-)Bilanz. Zwischen dem Erscheinen der «Erinnerung an Solferino» (November 1862) und dem Abschluss der Genfer Konvention (August 1864) waren keine zwei Jahre vergangen. In diesem kurzen Zeitraum haben sich die bis heute in ihren wesentlichen Elementen unveränderten Grundstrukturen der Weltbewegung des Roten Kreuzes herausgebildet:
    1. Die Existenz eines Internationalen Komitees in Genf, das seine Operations- und Steuerungsfunktionen im Laufe der Zeit Schritt für Schritt auszubauen vermochte. Die Entsendung von Dr. Appia und Hauptmann van der Velde auf den Schleswigschen Kriegsschauplatz im Frühjahr 1864 war der Beginn des bis heute wohl wichtigsten Instrumentariums, das dem Komitee zur Durchsetzung humanitärer Prinzipien zur Verfügung steht: Mit diesem Auftrag versehen befinden sich derzeit (2012) etwa 1400 Delegierte in allen Krisengebieten der Welt im Einsatz.
    2. Ein Netzwerk nationaler Rotkreuzgesellschaften, das binnen eines Jahres (von Dezember 1863 bis Dezember 1864) bereits elf Gesellschaften umfasste und bis zum Ausbruch desDeutsch-Französischen Krieges (1870) um weitere 14 Mitglieder anwachsen sollte. In vielen Staaten – darunter insbesondere auch in Deutschland – umfasst das Selbstverständnis dieser Gesellschaften heute ein breites Spektrum von Aufgaben im Wohlfahrtsbereich, im Bereich der Katastrophenhilfe sowie in der Entwicklungszusammenarbeit. Auch wenn dies manchmal in Vergessenheit zu geraten droht, so ist der Kernauftrag auch dieser (nationalen) Rotkreuzgesellschaften doch bis heute unverändert geblieben: Sie sind mit bestimmten Privilegien ausgestattete Hilfsgesellschaften der nationalen Behörden für den humanitären Einsatz im Kriegsfall.
    3. Das kooperative Zusammenwirken von Staaten, nationalen Gesellschaften und dem Internationalen Komitee zur Verwirklichung gemeinsamer humanitärer Ziele. Bereits in den Beschlüssen der Konferenz von 1863 heißt es, dass man sich «in internationalen Kongressen versammeln [könne], um […] Erfahrungen mitzuteilen und sich über die zum Besten der Sache zu ergreifenden Massregeln zu verständigen». Diesem Auftrag folgend findet heute alle vier Jahre in Genf unter Beteiligung aller Bestandteile der Bewegung eine Internationale Rotkreuzkonferenz statt. Nicht selten zählt zu den bei diesem Anlass identifizierten «zu ergreifenden Massregeln» auch der Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages, welcher den Krieg erneut ein kleines Stückchen «humaner» gestalten soll. Auch hierfür existiert mit der Diplomatischen Konferenz von 1864 bereits ein frühes Vorbild.

V. Vom

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