Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)
ihm die Frau. «Sie hustet immerzu.»
Kein Wunder , dachte Borghoff. Nicht nur, dass es erbärmlich kalt in dem zugigen Zimmer war, das Haus schien auch feucht zu sein. Um möglichst schnell die Arbeiter unterbringen zu können, hatte man nicht abgewartet, bis es ganz trocken war.
«Finchen …», er rüttelte sie wach. «Ich bin es, Commissar Borghoff.»
«Ich habe nichts gemacht», murmelte sie und wich ängstlich vor ihm zurück.
«Sicher nicht», sagte er sanft. Ihre sonst so hübschen Locken waren dreckverklebt. «Fräulein Lina schickt mich. Ich soll Sie hier herausholen.»
«Fräulein Lina.» Sie lächelte für einen Moment selig, dann begann sie zu weinen. «Sie wird mich auch wieder wegschicken. Ich … ich bin …»
«Du bist schwanger. Keine Angst, das weiß sie. Meinst du, dass du dich anziehen kannst?»
Mit Hilfe der wallonischen Frau gelang es, Finchen ihr Kleid anzuziehen, auch das starrte vor Dreck. Das kleine Bündel mit ihren Habseligkeiten hielt sie fest an sich gedrückt. Von Borghoff und der Frau gestützt, ging es durch den Regen zur Kutsche.
«Monsieur, einen Moment noch», sagte die Frau, als sie Finchen in den Wagen gesetzt hatten. «Sie schuldet mir noch die Miete.»
«Wie viel?», fragte er nur.
«Einen Silbergroschen. Sie hatte Ende letzten Monats nicht gezahlt.»
«Ein Silbergroschen für dieses dreckige Bett?», entfuhr es Borghoff.
«Wenn Sie mir eine Stelle nennen können, wo ich meine Wäsche waschen kann, werde ich gern alles sauber halten.» Die Frau hielt ihre Hand auf. Borghoff fischte in seiner Tasche nach Kleingeld und fand einen Groschen. «Hier.»
Ohne ein Wort des Dankes ging die Frau zurück in das Haus.
Der Regen hatte zwar etwas nachgelassen, doch er war immer noch sehr stark. Borghoff hatte Finchen, die sich an ihm festhielt, die Decke überlassen. Er selbst war nass bis auf die Knochen und fror.
Als die Kutsche vor dem Dahlmann’schen Haus hielt, lief Lina so rasch sie konnte die Treppe hinunter. Antonie war noch mit dem Aufräumen der Küche beschäftigt, was sie inzwischen immer sehr gewissenhaft tat.
«Antonie, ich brauche deine Hilfe», rief Lina.
Auch Clara wurde davon herbeigerufen. Sie staunte nicht schlecht, als Borghoff mit dem fiebernden Finchen hereinkam.
«Wer ist das?», fragte Clara.
«Das ist unser früheres Hausmädchen», sagte Lina knapp.
«Sie hat sich schwängern lassen», bemerkte Antonie. Wie alle Hausmädchen der Stadt war sie erstaunlich gut informiert.
«Sie kann aber nicht hierbleiben.» Clara baute sich vor Borghoff auf.
«Das soll sie auch nicht, Frau Dahlmann. Aber jetzt ist sie krank und braucht ein Bett und Pflege.»
Doch Clara war misstrauisch. «Versprechen Sie mir, dass sie geht, wenn sie wieder auf den Beinen ist.»
«Das wird sie», sagte Borghoff. Lina sah ihn erstaunt an. «Ich weiß, wo wir sie unterbringen können. Bitte lassen Sie mich vorbei. Kann sie in das Zimmer unter dem Dach?»
Clara nickte. «Antonie soll das Bett beziehen.»
Gemeinsam brachten sie Finchen hinauf. Dann schickte Lina Antonie in die Küche, um Tee zu kochen und die Suppe aufzuwärmen. Wie im Hause Kaufmeister gab es jetzt auch hier fast immer eine gute Suppe auf Vorrat.
«Sie müssen auch raus aus den nassen Sachen», sagte Lina zu Borghoff, aus dessen Haaren und Uniform es auf den Boden tropfte.
«Leider muss ich zuerst dem Bürgermeister den Wagen zurückbringen und das Pferd abreiben.»
«Dann beeilen Sie sich, sonst werden Sie auch noch krank.»
Als Borghoff verschwunden war, sagte Clara: «So dreckig, wie die Kleine ist, können wir sie nicht ins Bett legen.»
Lina nickte, und Clara schickte Wilhelm, mehrere Kannen Wasser zu holen.
Trotz des Fiebers zitterte Finchen, als sie sie mit dem kalten Wasser wuschen. Lina betrachtete ihren leicht vorgewölbten Bauch. «Wer ist der Vater?», fragte sie.
Finchen, die noch kein Wort gesprochen hatte, presste ihre Lippen fest aufeinander.
«Wer ist der Vater, Finchen?» Sie rubbelte das Mädchen mit einem rauen Tuch ab. Clara, die beim Waschen geholfen hatte, ging leise aus dem Raum.
Finchen sah auf den Boden. «Simon», sagte sie leise.
«Simon Weber, der Hausknecht der Frau Brand?»
Finchen nickte. «Damals … als Sie die toten Mädchen gefunden hatten … Er kam dann immer zu mir, wenn ich Besorgungen machte.»
«Der Junge hat wohl nicht genug zu tun», knurrte Lina. Sie zog Finchen eines ihrer Nachthemden über.
«Er hat mich mitgenommen am Karneval auf einen Tanz.
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