Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Ihres Kutschers klang das aber viel ernster, wenn er mich abgewiesen hat. Sind Sie so melancholisch, dass Sie niemanden sehen wollten?»
Von Sannbergs Gesicht zeigte keine Regung. «Er hat es sicher nur gut gemeint.»
Im Gegensatz zu ihren früheren Begegnungen schleppte sich das Gespräch mühsam voran, es war hauptsächlich Lina, die redete. Da Mittagszeit war, überredete sie Rose, das Essen für beide im Salon zu servieren. «Vielleicht bekommen Sie ein wenig Appetit. In Gesellschaft isst es sich doch besser.»
Rose war eine passable Köchin und hatte einen schmackhaften kleinen Braten zubereitet. Erleichtert stellte Lina fest, dass von Sannberg tatsächlich mit Genuss aß. Es schien auch wieder ein wenig Farbe in sein Gesicht zu kommen.
«Wie ist es Ihnen ergangen, liebe Lina?», fragte er.
Lina erzählte von ihren Erfolgen und dass sie die Miete und noch einiges mehr bereits eingenommen hatte. «Das habe ich alles Ihnen zu verdanken. Wenn Sie mich nicht auf diesen Gedanken gebracht hätten und wenn Sie mich nicht Ihren Freunden empfohlen hätten, würde es jetzt ganz anders aussehen. Das hat mich gerettet. Jetzt im Moment habe ich zwar nur kleinere Aufträge, aber ich habe ständig etwas zu tun, und ständig kommt Geld herein.»
«Das habe ich gern getan», sagte von Sannberg. «Es mag eine unkonventionelle Lösung Ihrer Probleme sein, aber wenn sie glückt, wer schert sich noch um Konventionen?»
«Ihre Freunde tun sehr viel hier in Ruhrort.» Lina tastete sich langsam an ihr eigentliches Anliegen heran. «Herr von Müller will wohl in die geplante Gießerei meiner Familie investieren.»
«So, wird er das?» Von Sannberg schien überrascht.
«Ich habe mich gewundert, dass Sie sich zurückgezogen haben. Es war doch Ihre Idee und schien mir geschäftlich sehr reizvoll zu sein.»
«Das ist es auch, das ist es ohne Zweifel.»
Lina sah ihn prüfend an. «Und dann lassen Sie sich das Geschäft entgehen?»
Für einen Augenblick wirkte von Sannberg sehr müde. «Es schien mir mit einem Male so sinnlos, noch mehr Geld anzuhäufen. Ich habe so viel, ich brauche doch gar nicht noch mehr.» Er lächelte. «Aber ich bin froh, dass Ihr Bruder und Schwager das nun doch in die Tat umsetzen.»
«Und von Müller ist ein guter Partner?»
Für einen Moment glaubte Lina, er wolle auflachen, aber sein Gesicht blieb reglos. «Er ist sicher nicht so amüsant wie ich. Und er wird ihnen mehr abverlangen. Aber verlässlich ist er.»
«Kennen Sie ihn und die Wienholds schon lange?»
«Ich kenne beide Männer aus meiner Studienzeit. Wir gehörten derselben Verbindung an. Allerdings hatte ich immer das Gefühl, dass sie es damit ernster nahmen als ich.»
«Was war denn das für eine Verbindung?»
«Ursprünglich eine landsmannschaftliche. Wir sind alle Mecklenburger. Unsere Väter haben alle mit Blücher bei Waterloo gekämpft. Später hat die Herkunft wohl keine Rolle mehr gespielt. Die Verbindung selbst ist aber älter als das heutige Verbindungswesen. Wienhold und von Müller wissen mehr darüber, ihre Familien waren seit mehreren Generationen Mitglieder, im Geheimen, natürlich, denn die Akademischen Orden waren ja verboten.»
«Sie meinen, das waren Freimaurer?»
«O nein. Mit den Freimaurern hatte das nichts zu tun, auch wenn sie vielleicht ähnliche Ursprünge hatten. Aber ehrlich gesagt, hat mich das damals nie sehr interessiert, mir war es schon zu viel, diese ganzen Geheimzeichen zu lernen. Ich glaube, ich war nur in diesen Kreisen geduldet, weil ich reich und spendabel war und aus Mecklenburg stammte.» Er lächelte plötzlich. «Ich hatte immer das Gefühl, es gäbe zwei Verbindungen und ich gehörte zu der, die Streiche machte, soff und über Demokratie redete.»
«Und die andere?»
Er zuckte die Schultern. «Was weiß ich. Geheime Treffen. Initiationen. Wienhold wollte mich dazu überreden, aber dann wurde ich nie wieder gefragt.» Er runzelte die Stirn. «Ich traf damals einen alten Freund wieder, der Freimaurer war, und wurde von ihm eingeführt.»
«Sie sind Freimaurer?», fragte Lina überrascht.
«Ja. Aber ich nehme nicht oft an der Arbeit teil.»
Sie tranken noch einen Kaffee nach dem Essen, und dann gab es für Lina keinen Grund mehr, länger dortzubleiben.
«Lieber Freund», sagte sie, kurz bevor sie sich verabschiedete. «Ich verstehe gut, dass eine Melancholie so groß sein kann, dass sie einen völlig lähmt. Aber ich finde, es wird Zeit für Sie, auf das Gut zurückzukehren, wo besser
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