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Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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legte sich hin. Und jetzt, allein im Dunkeln, stieg wieder das schreckliche Bild in ihr auf: die beiden toten Mädchen, die Löcher in der Brust und die klaffende Wunde im Unterleib der Älteren. – Ein Kind , schoss es ihr durch den Kopf, das Mädchen war schwanger gewesen . Was war mit dem Kind geschehen?
    Trotz ihrer Müdigkeit fiel es ihr schwer, einzuschlafen.

2. Kapitel
    Lina erwachte, als mit beginnendem Morgengrauen die ersten Karren vom Hof rumpelten. Landhandel gehörte immer noch zum Geschäft der Kaufmeisters, auch wenn seit längerer Zeit schon Ruhrnachen und Rheinschiffe die wichtigeren Transportmittel waren. Im Kontor- und Packhaus an der Dammstraße wurden vor allem Kolonialwaren, die sie meist von Aaltjes Familie aus Holland bezogen, für den Weiterverkauf konfektioniert und der Kohlehandel und Eisenwarentransport abgewickelt. Hier an der Carlstraße trafen die Waren ein, die über den Landweg aus dem Märkischen und Bergischen nach Ruhrort kamen. Auch wenn die Eisenproduktion nun in Nähe des Kohleabbaus angesiedelt war, die Qualität der alteingesessenen Eisenverarbeitungsfirmen, gerade bei kleinen, speziellen Produkten wie Klingen und Maschinenteilen, wurde von den auf Großproduktion ausgerichteten neuen Betrieben oft noch nicht erreicht und lohnte den Handel.
    Sie hatte unruhig geschlafen, selbst einer ihrer Zöpfe hatte sich gelöst. Auf bloßen Füßen, ohne den erhöhten Schuh schwankender den je, hinkte Lina zu ihrer Waschkommode und entflocht auch die übrigen. Das Haar fiel, durch das Flechten noch mehr gewellt als von Natur aus, bis zur Taille herunter und umrahmte weich ihr Gesicht. Sie begann es zu bürsten und prüfte dabei im Spiegel den Glanz des dunklen Rots. Welche Pracht und Fülle ihr Haar doch hatte, vor allem wenn sie es mit Gustes fahlem Kupfer oder gar Aaltjes dünnem Weizenblond verglich.
    «Du hast keinen Grund, eitel zu sein!», schimpfte sie mit der Lina im Spiegel. Entschlossen zog sie einen geraden Scheitel und begann erneut, Zöpfe zu flechten. Was nützte die Pracht? Sie war und blieb die krumme Lina.
    Es klopfte an der Tür.
    «Herein», rief sie.
    Es war Finchen, die einen Krug warmes Wasser brachte und ihn auf den Waschtisch stellte. Als sie sah, dass Linas Haare noch halb offen über den Schultern lagen, strich sie unvermittelt darüber und zog dann die Hand erschrocken zurück. Sie wurde rot und bat: «Oh, Fräulein Lina, darf ich Ihnen die Zöpfe flechten? Sie haben so wunderschönes Haar!»
    Eine Spur zu streng antwortete Lina: «Ich denke, in der Küche wartet genug Arbeit auf dich. Du kennst doch deine morgendlichen Pflichten!»
    Mit betretenem Gesicht verließ Finchen das Zimmer, und Lina bereute es augenblicklich. Das Mädchen konnte ja nicht wissen, dass es sie gerade in einem ihrer seltenen Momente von Selbstmitleid angetroffen hatte.
    Lina wand zwei fertiggeflochtene Zöpfe vorn um den Kopf, die beiden anderen formte sie zu einem dicken Knoten, der auch die Enden der ersten bedeckte. Dann wusch sie sich und begann, sich anzuziehen.
    Eine halbe Stunde später war Finchen wieder da. Sie brachte das Tablett mit dem Frühstück des Vaters. «Den Tee bringt Helene gleich selbst.»
    Finchen hatte sich hingekniet und half Lina in ihren rechten Strumpf. Sie schob dabei das Bein der langen Unterhose hoch, und Lina zog ihn dann gänzlich nach oben.
    Finchen half ihr mit den Schuhen. Und wie an jedem Morgen fühlte Lina sich gleich besser, als sich das feste Leder hoch um ihre Fesseln und den Wadenansatz schloss. Die geschnürten Stiefel waren zwar weit hässlicher als die der anderen Damen, aber sie bedeuteten für Lina einen sicheren Gang, so auffällig er auch sein mochte.
    «Danke, Finchen», sagte sie, setzte sich ihre weiße Haushaube auf, die den Knoten frei ließ, und band die Schleife unter dem Kinn. «Ach … wenn ich mir das nächste Mal die Haare wasche, möchtest du mir dann helfen?» Das war normalerweise die Aufgabe von Aaltjes Mädchen, das auch Zofendienste verrichtete.
    «Ja, das möchte ich sehr gern.» Finchen strahlte, und ihr klarer direkter Blick, den Lina schon bei der Einstellung gemocht hatte, sagte ihr, dass das Mädchen ihre Entschuldigung angenommen hatte.
    Auf der Treppe hörte sie die Köchin Helene, die den Tee brachte. Finchen nahm das Tablett und folgte Lina zum Zimmer des Vaters. Helene stellte die kleine Teekanne dazu, und Lina öffnete die Tür. Der Vater schlief noch. Leise stellte Finchen das Tablett auf dem Nachttisch ab

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