Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
Vom Netzwerk:
langsam durch das Gesicht.
    Lina war kurz davor, ohnmächtig zu werden, und klammerte sich an das Geländer, aber sie konnte ihre Augen nicht von Reppenhagen lassen. Das Bild war zerstört: Die Leinwand klaffte auseinander, und anstelle von Linas Gesicht gab es nur noch ein unschönes Loch. Mit einem abgründigen Lächeln trat er in den Türrahmen.
    «Donatus!», rief Jutta. «Bitte komm doch einen Moment, die Damen wollen dich und deine Kunst ein wenig feiern.»
    Er kam heraus und schloss die Tür hinter sich, ein liebenswürdiges Lächeln auf dem Gesicht. Nun war er der, den Lina insgeheim «den Maler» nannte, der, der Amor und Psyche gemalt und sich liebenswürdig mit ihr unterhalten hatte. Das Damenkränzchen umschwirrte ihn. Lina erholte sich langsam wieder, hielt sich aber von ihm fern. Angewidert und auch voller Angst beobachtete sie, wie Mina zu ihm trat. Es dauerte nur wenige Minuten, und dieser Mann begann, ihrer Schwester den Hof zu machen. Sie lachten und scherzten inmitten der schnatternden Gesellschaft, und Mina sah ihn an, mit leicht geröteten Wangen und glänzenden Augen. Lina kannte diesen Blick und begriff, dass die beiden einander nicht zum ersten Mal auf diese Art begegneten. Aber sie wagte es nicht, einzuschreiten. Sie wagte nicht einmal, ihren Platz am Geländer zu verlassen.
    Die beiden umkreisten einander fast, und plötzlich konnte Lina das Gesicht ihrer Schwester nicht mehr sehen, stattdessen seines, und dann sah sie, wie es sich wieder verwandelte, wie die Augen hart und kalt wurden. Er verabschiedete sich so schnell, wie er aufgetaucht war. Als er die Szenerie verließ, drängte er sich ganz dicht an Lina vorbei. «Du hast dich einmal zu oft eingemischt», zischte er, und einer seiner Finger malte, sodass nur Lina es sehen konnte, die Schnitte durch das Bild nach. Dann war er verschwunden.

    Durch den Sehschlitz im Schmuggelkeller konnte Robert Borghoff beobachten, wie Bertha Hartung den Jungen sorgfältig abtrocknete und dann mit einem Öl, dessen Duft selbst durch den Sehschlitz wahrnehmbar war, einrieb. Danach wickelte sie ihn wie einen Säugling fest in weiße Tücher, und die Männer halfen ihr, ihn auf den Altar zu legen. Borghoff fürchtete, sie könnten doch noch versuchen, das Kind zu töten, doch alle Erwachsenen und auch die Kinder schienen schweigend zu warten. Der Maskierte sah sogar auf seine Taschenuhr.
    «Sieh nach, wo sie bleibt!», sagte er dann zu einem der Männer. Als er hinausging, konnte Borghoff ihn erkennen – es war Hans Brecht.
    Es dauerte noch eine Weile, doch schließlich konnte man Schritte hören. Borghoff war Reppenhagen noch nicht begegnet, aber dank Linas Beschreibung wusste er sofort, wen er vor sich hatte. Noch während Reppenhagen zum Altar ging, änderte sich sein Gang zu dem einer Frau. «Gib mir deinen Mantel», sagte er mit einer unnatürlich hohen Stimme, die den Commissar schaudern ließ.
    Das Wesen warf den Mantel über. «Ich habe nicht viel Zeit», sagte es zu dem Maskierten. Dann drehte es sich um, und Borghoff konnte mit eigenen Augen sehen, was Lina gemeint hatte, als sie von «Verwandlung» gesprochen hatte. Das da war eine Frau, eine herbe Schönheit mit narbigem Gesicht, auf das nun ein strahlendes Lächeln trat. «Mein Kind, mein neugeborenes Kind!», rief sie aus und nahm den Jungen in ihre Arme. Er schmiegte sich an sie, völlig beruhigt, und als sie ihn auf die Stirn küsste, zeigte er ein glückliches Lächeln. «Ja, schenke deiner Mutter ein Lächeln! Du bist nun mein, für immer. Mein liebes Kind, ich segne dich!»
    Vorsichtig legte sie den Jungen wieder hin, um den sich jetzt die anderen wieder kümmerten. Jemand wickelte ihn aus und kleidete ihn in ein buntes Gewand. Dann brachte man ihn und die anderen Kinder fort.
    Kaum waren die anderen verschwunden und nur noch die Priesterin und der Maskierte da, verwandelte sich Reppenhagen wieder.
    «Ist etwas passiert?», fragte der Maskierte, warf die Kapuze zurück und nahm die Maske ab. Es war Werner Wienhold.
    «Ich habe gerade herausgefunden, wer deine Tochter in diese fatale Verwirrung gestürzt hat. Es war die Näherin, diese kleine Missgeburt.»
    «Lina Kaufmeister?»
    Reppenhagen warf den Mantel weg. «Wir müssen verhindern, dass sie noch mehr Unheil anrichtet.»
    «Donatus, wir können sie nicht verschwinden lassen. Lass uns bitte versuchen, eine andere Lösung zu finden.» Sie stiegen von dem Podest und verließen den Raum.
    Entsetzt wich Borghoff von dem Sehschlitz

Weitere Kostenlose Bücher