Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
die Götter immer schon Einfluss auf Sterbl i che. Ihr seid die Ki n der Wodans“, fuhr Boris fort, wobei bei den letzten Worten ein Hauch Wehmut in seiner Stimme mitschwang.
„Wenn wir Wodan oder Odins Geschöpfe sind, warum sollte er zulassen, dass man uns vernichtet? Dass diese dunkle Göttin Rudger vernichtet?“ Mit dem lan g sam aufkeimenden Zorn loderte ein winziger Funke ihres Kampfgeistes auf.
„Nun, es ist durchaus möglich, dass Wodan nichts von alledem mitbekommen hat. Midgard ist ein sehr kleiner Teil seines unive r sellen Reichs. Was Rudger betrifft … er ist ein Vampir“, en t gegnete Boris mit gesenkter Stimme.
„Ich verstehe. Er fällt also nicht in Wodans Zuständigkeitsbereich. Es ist egal, dass er nun tot ist …“ Sie stockte, weil ihr die Worte erneut die Tränen in die Augen trieben.
„So könnte man es ausdrücken. Doch dafür steht das Syndikat zu ihm. Meistervampire aus Europa haben sich uns angeschlo s sen, um sich gege n seitig zu helfen, wenn es nötig ist. Rudger ist nicht tot, zumindest nicht mehr, als er es ohnehin war. Sein Geist wird in Niflheim festgehalten. Ob daran die Göttin höchstpersönlich beteiligt ist, wage ich zu bezwe i feln, denn wie gesagt, sie hat sich seit geraumer Zeit nicht dort blicken lassen.“
Einen Moment brauchte Leyla, bis seine Worte sie erreicht hatten. Rudgers Geist war in einer anderen Welt gefangen. Daran schien Boris nicht zu zweifeln. Sein Körper lag nebe n an. Das war eine greifbare Tatsache. Beides musste wieder zusammengefügt werden. Fieberhaft überlegte sie, versuchte, zu begreifen. Angeblich gab es ja Menschen, die in tiefer Trance ihren Körper verli e ßen. Astralreisen oder Nahtoderfahrungen nannten sie diesen Zustand. Doch selten hörte man, dass jemand weiter als bis zur Zimmerdecke aufgestiegen war, um ehrfürchtig auf seinen Körper hinabzublicken. Es gab nur wenige Berichte vom Herumschweben in der näheren Umgebung. Wie ein Schwimmer zum ersten Mal vor dem unendlichen Ozean steht und sich de n noch nicht wagt, über die Sicherheitsabgrenzung hinauszuschwimmen. O b wohl er es könnte. Theoretisch.
Aufregung und Hoffnung wirbelten durch ihren Leib, beschleunigten ihren Herzschlag, weckten ihre Lebensgeister. Sie versuc h te, ihre Gedanken zu ordnen, um sich an alles zu erinnern, was sie je über Astralreisen gehört hatte. Im Rahmen ihres Kampfspor t trainings hatte ihr ein buddhistischer Berater beigebracht, sich mental in eine tiefe, entspannte Verfassung zu versetzen. Für g e wöhnlich nutzte sie diese Fähigkeit bei Gefahr, um Kräfte zu sa m meln oder ihren Geist zu öffnen. Damit erlangte sie eine andere Bewusstseinsebene. Da sie sich in solchen Momenten absichtlich eine Realität durch Gedanken- und Bewuss t seinskraft schaffte, kam dieser Zustand dem der Astralreisen nahe. Mittlerweile wusste sie, dass das Band zwischen ihr und Rudger diese Fähigkeiten bedeutend verstärken konnte. Sicher war sie allerdings nicht. Frustriert über ihre eigenen Einwände, drückte sie die Fi n gerspitzen an die Brauen. Es fehlte an Zeit, die Möglichkeiten abzuwägen. Davon konnte sie sich nicht abhalten lassen. Sie schob ihre Bede n ken beiseite und konzentrierte sich auf den winzigen Funken Zuversicht, den sie verspürte.
Ein Teil von Rudgers vampirischen Kräften war seit ihrer Geburt in ihr, machte sie stärker, ließ ihre Wunden schneller heilen und versetzte sie in die Lage, Vampire aufzuspüren. Es war ihr bislang nicht in den Sinn gekommen, dass diese Eige n schaften nicht die einzigen sein könnten. Vielleicht war sie zu viel mehr in der Lage. Nervös fuhr sie sich mit der Zu n ge über die spröden Lippen.
Längst hatte sie durch mentales Training die fünfte Bewusstseinsebene erreicht, ihre metaphysischen und mythischen Kräfte w a ren bereits erwacht. Es fehlten nur zwei Stufen bis zur Aufhebung der Materieg e setze und sie sollte in der Lage sein, zwischen der Außen- und Innenwelt ohne Körper zu wandern. Vorausgesetzt, die Theorie über die sieben Bewuss t seinsebenen war wahr. Ging man danach, erlangte man einen Z u stand, in welchem die Kausalseele, die gespeicherte Evolution des individuellen Seins, Zeit und Raum überwinden konnte. Allerdings benötigte ein solcher Vorgang Training und Zeit. Zeit, die sie nicht hatte. Es musste einen schnelleren, radik a leren Weg geben. Wenn dadurch auch nur die geringste Chance bestand, Rudger zurückzuholen, war sie bereit, jeden Weg zu gehen. Zu verlieren hatte sie
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