Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
halbwegs verraucht. Nicht zuletzt, weil Strade endlich mit se i nem Gezeter aufgehört hatte. Hinter ihr schaltete er das Notlicht im Saal an. Sofort hüllte sie die gedämpfte Stille des leeren Ra u mes ein.
Die paranormale Präsenz in diesem Raum war so überwältigend, dass sich ihr Magen z u sammenkrampfte. Leyla unterdrückte ein Würgen und atmete mit geschlossenen Augen tief ein. Ein intensiver Eisengeruch übe r lagerte die muffigen Ausdünstungen des leeren Saals und benebelte ihre Sinne. Die Luft flirrte. Boris schien das nicht entgangen zu sein. Sofort eilte er zu ihr und stützte sie am Elle n bogen.
„Danke. Es geht mir gut.“ Sie entzog ihm ihren Arm und ging die St u fen im Saal hinab. Die Männer blieben im Eingangsbereich zurück und beobachteten sie schweigend. Normalerweise konnte sie einiges aushalten, auch was ihre körperliche Reaktion auf paranormale, energetische Phänomene betraf. Aber der Schmerz, den die Trauer um Rudger ausg e löst hatte, tat körperlich weh und erschütterte sie zutiefst. Darauf konnte man sich nicht vorbere i ten. Das konnte man nicht lernen.
Es kostete sie einiges an Mühe, ihre Gedanken von Rudger abzuwenden. Dem Drang zu widerstehen, zu ihm hinaufzueilen, sich neben ihm zusammenzukauern und sich der unsinnigen Hoffnung hinzugeben, irgen d wann aus dem Albtraum zu erwachen.
Doch die Möglichkeit, dass auch nur der geringste Zusammenhang zwischen dem unerklärlichen Verschwinden der Kinobes u cher und Rudgers Zustand bestehen könnte, gab ihr die Kraft, diese Untersuchung durchzuführen. Wenigstens funktionierte ihr sensitives Gespür tadellos und fegte wie ein schmerzstillendes Mittel über ihre Traurigkeit hinweg. Letz t lich war sie in der Lage, konzentriert durch die Sit z reihen zu gehen. Unter ihren Füßen schmatzte es an einigen Stellen, wo der Teppich vollgesogen war mit verschütteten Getränken. Auf der Leinwand flimmerte der Werbefilm für einen namhaften Speiseeisherste l ler. Strahlend blauer Himmel als Kulisse für ein Südseeidyll. Eine Bikinischönheit schlenderte mit einem Eis in der Hand am Strand entlang. Ihr stra h lendes Lächeln erreichte nicht ihre Augen, so n dern schien sie zu verhöhnen. Das war es schon, was in dem Werbespot geschah. Die Frau lief, präsentierte ihr Eis und grinste. Unentwegt. Nur der seltsame Schimmer im Bild war ungewöhnlich. Er ließ die Szene plastischer wirken. Vie l leicht hatte das mit der neuen 3-D-Leinwand zu tun.
Sie ging zum Eingang zurück.
„Warum läuft hier dieser Werbefilm, wenn kein Mensch im Kino ist?“ Ihre Frage war an Str a de gerichtet.
Sein eben noch gelangweilter Gesichtsausdruck wechselte in eine verdutzte Mi e ne. „Was für ein Werbefilm? Solange keiner in der Projektion ist, lassen wir das Standbild an, damit die Putzfrauen ein bess e res Licht haben.“
Leyla wollte den Mund öffnen, um zu widersprechen. Schließlich turnte auf der Lei n wand eindeutig ein Model durch die Gegend. Selbst jetzt bemerkte sie im A u genwinkel die Bewegungen.
Oder?
Ohne etwas zu erwidern, fuhr sie herum. Erstaunt stellte sie fest, dass die Leinwand nur ein starres Werbeplakat für Eiscreme war.
„Das muss ich mir wirklich nicht länger ansehen“, maulte Strade und stapfte d a von. „Die ist doch nicht ganz dicht.“
Mit einer bedrohlichen Miene wollte Sergej dem Theaterleiter hinterhergehen, doch Boris hielt ihn mit einer kurzen Geste z u rück. Dann wan d te er sich Leyla zu.
„Sie können die Pforten sehen?“
Die Frage traf sie völlig unvorbereitet. Sie traute ihren Ohren nicht. G e rade war sie noch damit beschäftigt, diese Halluzination zu verdrängen, wie sie es immer getan hatte. Irritiert huschte ihr Blick von der Leinwand zu Boris. „Was?“
„Seit wann sind Sie in der Lage, die Pforten zu sehen? Seit Sie mit Rudger verbunden sind?“, fragte Boris eindringlicher und de u tete mit dem Zeigefinger auf die Leinwand.
Ein Rauschen zog durch ihren Kopf und kündigte eine nahende Oh n macht an. Leider gehörte Leyla nicht zu den Frauen mit zu niedrigem Blutdruck. Eine schnelle Erlösung war nicht zu erwarten. In ihren Fingern kribbelte es und ihre Knie wurden weich. Doch ihr Verstand hatte kein Mitleid. Er arbeitete glasklar. Boris hatte es also auch gesehen. Ein Blick auf Sergej zeigte, dass es ihm ebenso ging. Es war keine Einbildung. Nie gewesen.
„Nein, nicht erst, seit ich mit Rudger zusammen bin.“ Schla g artig fiel ihr ein, dass Boris mit ‚verbunden‘ etwas anderes
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