Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
Wände anfingen, sich aufzulösen. Schaudernd zog sie die Möglichkeit in Betracht, dass sie inmitten einer sich öffne n den Pforte gesessen hatte.
„Vampire sehen diese Fenster?“, fragte Leyla.
Boris nickte. „Bei der Umwandlung zum Vampir kehren bestimmte Erinnerungen zurück, so auch jene an die Beseeltheit der N a tur. Wir alle haben dies als Kinder erfahren und irgendwann vergessen.“ In seiner Stimme schwang ein Hauch Wehmut. „Als Va m pir werden einem schlagartig die Augen geöffnet. Physikalische Grundgesetze werden aus den Angeln gehoben, selbst die Schwe r kraft erhält eine andere Bedeutung, lässt uns körperlich stärker sein. Plötzlich sieht man die Dinge, wie sie wirklich sind. Durc h scheinende Fass a den, in denen sich Risse zwischen den Dimensionen gebildet haben. Sterbliche erscheinen wie offene Bücher. Ihre Gedanken sind für uns sichtbar, als wären ihre Gesichter aus Glas. Das macht sie manipulierbar und in den Augen mancher Va m pire siedelt die menschliche Rasse auf einer niederen Stufe der Evolution. Mit anderen Worten, sie verlieren den Re s pekt vor dem, was sie einst waren und werden gleichzeitig zu blu t rünstigen Barbaren.“
Menschen als Futterquelle. Diese Vorstellung war unter den Vampiren weiter verbreitet, als sich manch einer wünschte, und e r schwerte das zivilisierte Zusa m menleben zwischen Mensch und Vampir. Leyla schwirrte der Kopf. Sich in die Sichtweise eines Vampirs hineinzuversetzen, dürfte ihr nach all ihrer Erfahrung theoretisch gelingen. Sie hoffte, di e se konnte von Nutzen sein bei ihrem Plan, der anderen Seite einen Besuch abzusta t ten.
6
E
twas stimmte nicht.
Alarmiert riss Rudger die Augen auf und blieb still liegen. Dabei wunderte er sich, dass er überhaupt lag. Blitzartig schossen Erinnerungsfetzen einer Fahrt in einer rumpelnden Kutsche durch seinen Kopf. Doch es hatte keine Kutsc h fahrt gegeben, obwohl er in seinen Gliedern den Nachhall eines schwachen Muskelkaters spürte. Sein Verstand hing e gen wusste, dass er in seinem Penthouse in die Starre gefa l len war. Sein Oberkörper schnellte hoch, während er dabei war, seine Umgebung mit Blicken abzus u chen. Seltsamerweise nahm er zunächst nichts als Dunkelheit wahr. In seinem Kopf schien eine zähflüssige Masse durch das plötzliche Aufrichten ins Wanken geraten zu sein. Eigenartig. Zuletzt hatte er so etwas wie Schwindelgefühle zu Lebze i ten empfunden. Mehr die Erinnerung veranlasste ihn zu der Geste, mit beiden Händen fest über sein G e sicht zu reiben.
Für gewöhnlich verlief der Übergang reibungslos. Ein natürlicher Prozess für jeden se i ner Art, den er bei Tagesanbruch in der Menschenwelt durchmachte. Ebenso klar, wie die Ta t sache, dass er bei Eintreten der Starre nach Niflheim gelangte, wovon er auch jetzt ausging. Allerdings führte ihn sein Weg normalerweise über die goldene Brücke in die andere D i mension. Der Ort, an dem er sich nun befand, war nicht Niflstadt mit seiner Handelsmeile, übervölkert von Vampiren in Umhängen, die ihrem normalen Tage s ablauf nachgingen. Er blickte an seinen Hosenbeinen hinab, tastete über das Revers seines Jacketts. Mit gespreizten Fingern b e trachtete er seine Hände. Sein Sehvermögen schien sich normalisiert zu haben. Der Turmalin an seinem Siegelring funkelte wie ein Stern. In verschiedenen Nuancen brach sich das von ihm ausgehe n de, sanfte Licht im geschliffenen Stein. Erschreckt tastete er neben sich die Fläche nach einem Umhang ab, um seine Aura zu bedecken. Einem instinktiven Impuls folgend, sich in Niflheim augenblicklich zu bedecken. Doch seine Hand fuhr nur über glatten Granit, aus dem das altarartige Gebilde b e stand, auf dem er saß.
„Das gibt Ärger“, sagte er laut. Sein Blick schnellte nach oben, als das Echo seiner Stimme von den Wänden zurückgeworfen wurde. Verblüfft betrachtete er die Felswände, an denen sich eine Vielfalt von Edelsteinen im nahrhaften Gestein erstreckte. Di a manten, Granate und Topase schimmerten um die Wette, als gierte es den Mineralien danach, die selt e ne Lichtquelle optimal zu reflektieren.
Es war seine eigene Aura, deren Schein zum Teil bis zu den Felswänden reichte. Wie winzige Spots blitzten die im Felsen ve r wachsenen Juwelen auf, doch die meisten Wände in der weiträumigen Halle waren zu weit entfernt und verloren sich in der Dü s ternis. Unter seinen Füßen spürte er glatten Granitboden. Unschlüssig ging er ein paar Schritte auf der Suche nach einem
Weitere Kostenlose Bücher