Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
ein Bestandteil von Brandmunit i on. Sie versuchte, ihre Gedanken zu sortieren, aber langsam begann sie zu begreifen und b e trachtete die verhüllten Gestalten mit anderen Augen. Jetzt sah sie es und konnte es zuor d nen, das matte Licht ging tatsächlich von ihnen selbst aus und erhellte ihre unmittelbare Umgebung. Nicht die Granitoberflächen der Häuserwände waren die Quelle, nein, sie reflektierten lediglich das schimmernde Licht der Vampirkörper. Wären sie nicht allesamt von Umhängen bedeckt, würden sie wahrscheinlich wie eine Schar überdimensi o naler Glühwürmchen die gesamte Stadt erhellen.
„Warum verhüllt ihr euch? Ihr könntet die ganze Gegend taghell machen. Wozu die Dunkelheit?“, fragte sie Sergeij, während sie die umhereilenden Vampire beobachtete. Einige trugen sogar Han d schuhe.
Sergej zupfte an seiner Bedeckung, ließ aber genügend von seinem Gesicht zu sehen, s o dass sie nicht mehr das Gefühl hatte, mit einem Phantom zu reden. Gut so. Jetzt sah er keine Notwendigkeit mehr darin, sich vor ihr zu verbergen. Abgesehen davon ve r barg die enge Nische sie beide ohnehin vollständig. Insgesamt wirkte er entspannter, wie jemand, der eine unangenehme Reaktion befürchtet hatte, letztlich jedoch angenehm übe r rascht worden war. „Es erzürnt die Göttin“, antwortete er. „Hel verabscheut Licht. Als Herrscherin der Unterwelt ist ihr natürlicher Lebensraum dunkel. Das Gleiche gilt für ihr Gefolge, das zum Großteil aus Hal b riesen oder Halbgö t tern besteht.“
„Aber ihr seid doch ihre Geschöpfe?“ Leyla konnte sich keinen Grund vorstellen, warum Hel ihren Schützlingen auferlegte, sich zu verbergen. Schließlich war sie selbst für deren Existenz verantwortlich. Wenn sie nicht wollte, dass Vampire in Niflheim leucht e ten, hätte sie sie doch dunkel erschaffen können. Sergeijs helle Augen zogen sich zu Schlitzen z u sammen. In den Falten seiner gekräuselten Stirn bündelte sich das Licht in helle Streifen.
„Richtig, doch waren wir alle ursprünglich Sterbliche. Hel sandte uns als G e schöpfe der Nacht zurück in die Menschenwelt.“
Also waren die Vampire keine Eigenkreation, sondern das ursprüngliche Werk eines a n deren Künstlers. Hel hatte sie sich zueigen gemacht. Wie raffiniert. In ihrem Kleinkrieg mit der Götterhierarchie lag der Ursprung der Vampire. Sie waren ihre Waffe im Kampf gegen Asgard und den Gottvater Odin. Da Hel gegen die riesige Burg im Himme l reich mit ihren zwölf Palästen nichts ausrichten konnte, konzentrierte sie sich möglicherweise auf die Zerstörung der darunterliegenden Menschenwelt. Nach den Erzä h lungen der Göttin Iduna bei ihrem letzten Gastspiel in Krinfelde, umfasste der Weltenbaum Yggdrasil den gesamten Kosmos, bestehend aus Asgard, Midgard und der Unterwelt Niflheim. Kein angenehmer Gedanke. Blieb zu hoffen, dass die Diskrepanz zwischen dem Zeitempfinden der Götter und dem der Menschen weit genug auseinanderklaffte, damit das bevorstehende Arm a geddon noch ein paar Tausend Jahre auf sich warten ließ.
„Unsere Aura speichert das Licht aus Lebzeiten und bringt es hierher. Dieser Umstand war ebenso wenig abzusehen, wie die Einschrä n kungen, denen wir in der Menschenwelt unterliegen“, fuhr Sergej fort.
„Welch Ironie, dass ausgerechnet ihr das Licht in diese Dunkelheit bringt.“
„Allerdings“, entgegnete Sergej. „Wobei es weder notwendig noch erwünscht ist. Viel mehr handelt es sich um eine unplanmäß i ge Rückkop p lung.“
„Sieht so aus, als wäre der guten Hel da ein übler Fehler unterla u fen.“
Sergejs Mundwinkel zuckten. Fast wäre es ein Schmunzeln geworden, doch er entschied sich für ein angedeutetes Nicken. „Das würde ich ihr allerdings nicht mitteilen, solltest du ihr jemals begegnen.“ Ehe sie etwas erwidern konnte, zog Sergej sie plötzlich zurück in die Schatten der N i sche. „Warte hier“, flüsterte er.
Im nächsten Moment war er auf die Straße getreten. Vorsichtig lugte Leyla um die Ecke und sah noch, wie seine Gestalt von der Menge verschluckt wurde. Schnell zog sie sich zurück, presste ihren Körper gegen kaltes Mauerwerk. Die gegenübe r liegende Wand ragte düster vor ihr auf, verlor sich oben ins Endlose. Mit ein bis s chen Fantasie könnte man sich vorstellen, senkrecht in einer Gruft zu stecken. Toll. Sie hatte keine A h nung, wie lange Sergej sie hier warten lassen würde und überlegte, ob sie sich auf eigene Faust weiter auf die Suche nach Rudger machen sollte, wie
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