Das rote U
Zeitung
drucken, und dann konnte der arme Herr Behrmann nicht mehr die Miete bezahlen,
keine Kohlen mehr kaufen und musste überhaupt hungern... Nein, das ging
nicht!
Aber bald hatte Mala es ganz vergessen. Er sah, wie in der Schule der
Rektor und die Lehrer ihre Köpfe zusammensteckten, und dann wurde in den
Geschichtsstunden immer viel erzählt von der alten Schule, wie es
früher gewesen wäre, und dann mussten sich die Kinder dann
aufschreiben, und am anderen Tag mussten sie es auswendig wissen...
Nein, das war wirklich nicht
sehr angenehm. Dann konnten sie den Herzog Johann Wilhelm und den Jan Wellem nicht auseinander halten, und von jedem Herzog
sollten sie wissen, was er für Gebäude und Straßen hatte
anlegen lassen... Nein, es war schon ein Kreuz! Dazu durften sie bald nicht
mehr in den Turnsaal. Denn es waren Anstreicher gekommen, die mussten die
Wände fein neu weißen, den Boden lackieren, und ein richtiger Maler
besserte sogar die Gemälde an der Decke aus – alles für die
Jubiläumsfeier!
Bis dahin waren es nun noch
vierzehn Tage. Und sie hörten in der ganzen Zeit nicht ein Wort vom Roten
U. Es war ihnen auch ganz recht, denn das Winterwetter hielt an, immer fester
froren die Gräben und Weiher im Hofgarten und an der Königsallee zu,
und auf dem Rhein trieben jeden Tag mächtigere Eisschollen.
Da hatten die Kinder genug zu
tun. Aber eins hätten sie doch gar zu gern gewusst: weshalb sollten sie
gerade am 17. Dezember freihaben?
Hatte das Rote U an diesem Tage
etwas Besonderes vor?
Immer wieder bedachten und
besprachen sie sich, wenn sie zum Eis gingen, wenn sie abends vom Eis nach
Hause liefen. Aber sie konnten und konnten nichts finden...
Es war gerade ein Sonntag. Herr
Behrmann war bei Doktor Schlösser zum Mittagessen eingeladen. Ein
vergnügtes Essen war das. Und Mala hatte gar
keine Lust, diesen Nachmittag, wenigstens solange Herr Behrmann noch da war,
zum Eislauf zu gehen. Denn der alte Student erzählte so schön und
lustig, und nach dem Essen spielte die Mutter Klavier und Behrmann die Geige
dazu. Nein, Mala beschloss, diesen Nachmittag zu
Hause zu bleiben. Sein Vater hätte ihn vielleicht weggeschickt, aber der
merkte ja kaum, dass der Junge da war. Denn Mala saß still in einer Ecke und las Karl May, oder er tat nur so. Er horchte
auf die Musik und auf Herrn Behrmanns Geschichten.
Auf einmal klingelte das
Telefon. Doktor Schlösser ging selber an den Apparat. Und als er
wiederkam, sagte er: „Nun hören Sie aber mal, Behrmann, da haben Sie
ja ein nettes Zeug geschrieben von dem Schuljubiläum...“
Mala zuckte zusammen. Oh, jetzt
würde alles herauskommen... Er fing zu zittern an. Vielleicht hatte das
Rote U selber angerufen?
Herr Behrmann drehte sich vom
Notenpult ein wenig um, schaute den Redakteur über seine goldene Brille
hin an und sagte: „Nanu?“
„Ja, nanu!“
polterte Malas Vater, „der Schulrektor hat
selber angerufen. Das muss ich sagen, schöne Geschichten das, schöne
Geschichten...“
„Na, und?“ fragte
Herr Behrmann seelenruhig.
„Na, und – der
Lehrer Longerich , der alte Herr – Sie kennen
ihn ja wohl... also, der hat mal seine Nase ein bisschen genauer als Sie, Sie
leichtsinniges Huhn, in die alten Bücher und Urkunden gesteckt...“
„Hätt’ er sie
gleich drin steckengelassen...“, lachte Herr Behrmann gemütlich.
„Machen Sie nicht auch
noch Witze! Also, das Schuljubiläum ist ja erst am 28. Dezember, und dazu
nicht das dreihundertjährige, sondern erst das
zweihundertjährige...“
„Meine Güte, man
kann sich doch auch mal verschreiben!“ brummte Herr Behrmann, und er
schüttelte den Kopf. „Komisch, komisch“, sagte er so vor sich
hin.
„Was ist da
komisch?“ brauste der Redakteur auf.
Aber Behrmann gab keine
Antwort. Er konnte dem Doktor Schlösser doch nicht gut sagen, dass es
wirklich ein komischer Zufall war, so hart an der Wahrheit vorbeizulügen .
Denn auch von einem zwei-hundertjährigen Jubiläum hatte er keine
Ahnung gehabt.
„Na, und nun sagte mir
der Rektor, ich soll es morgen in die Zeitung setzen lassen. Denn die
Jubiläumsfeier findet doch am 17. Dezember statt – am 28. sind ja
schon Weihnachtsferien, und auf ein paar Tage käm’s auch nicht an.“
„Das hab’ ich ja
gleich gedacht“, lachte Behrmann.
Immer mehr rutschte Mala auf seinem Stühlchen voran.
„Ja, und dann: sie wollen
jetzt alle zehn Jahre am letzten Sonntag vor den Weihnachtsferien so eine
kleine Schulfeier veranstalten. Alle
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