Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das rote U

Das rote U

Titel: Das rote U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Matthießen
Vom Netzwerk:
langer Reihe durch den Hofgarten, dann durch viele hässliche
breite Straßen, die nur der Knöres kannte
– denn Knöres alter Onkel wohnte in diesem
Viertel, in dem die elektrischen Bahnen den ganzen Tag rasselten, die Autos
flitzen, die Menschen hasteten. Arg ungemütlich war es der kleinen
Gesellschaft. Alles schien ihnen hier so kalt, so fremd, alles so
gleichgültig und gar böse. Und das Rote U bekam dann auch für
sie, je näher sie der so genannten ‚Ulmer Höhe’ kamen,
ein ganz anderes Gesicht, ein viel ernsteres und gefährlicheres als in den
vertrauten Winkeln der Altstadt.
    „Ob wir diesen Mittag
überhaupt nach Haus’ können?“ sagte Boddas ,
„denn der Himmel weiß, wo die Kerle hingehen. Und vielleicht
müssen wir stundenlang vor irgendeiner dreckigen Wirtschaft
warten...“
    „Dann lösen wir uns
natürlich ab, das ist doch klar“, - Silli hatte gleich einen Ausweg gefunden, „und die anderen gehen dann schnell
essen...“
    „Ja, meinst du denn, die
drei blieben den ganzen Tag zusammen?“
    „Und wir sind zu
fünfen, - da kann uns keiner durch die Lappen gehen. Und zwei haben doch
immer Zeit, schnell nach Hause zu rennen...“
    Die Gegend wurde ihnen mit
jedem Schritt fremder. Jetzt mussten sie gar einen Feldweg entlang, über
den eisig der Nordwind strich, und sie waren froh, als sie wieder in eine
Straße einbogen. Zuerst kamen ja nur hässliche Bauplätze mit Haufen
von Schutt und altem Baugerümpel, dann aber fingen die Häuser an, -
schmutzige, abscheuliche Häuser, und die noch abscheulicheren
Stuckverzierungen waren oft schon heruntergebröckelt. Die Kinder wussten
gar nicht, dass es solche Straßen in ihrer schönen Stadt gab.
    „Ulmenstraße!“
las jetzt Mala auf einem Schild, „ist es hier, Knöres ?“
    „Ich glaube
wohl...“
    „Wo sind denn die
Ulmen?“ fragte Silli .
    „Du bist aber
blöd!“ rief Knöres , „sind denn
in der Kapuzinergasse vielleicht Kapuziner? Und ist in der Poststraße
etwa eine Post? Vielleicht vor tausend Jahren einmal... Du, Silli ,
wie spät haben wir?“
    Ja, Silli hatte des Sonntags immer ihr Armbandührchen an.
    „Zwanzig nach acht... was
ist denn damit los?“
    „Die Zwiebel geht ja
nicht. Damit hat dich deine Tante schön angeschmiert“, lachte
Döll, „geradeso gut hätte sie dir eine Kartoffel schenken
können!“
    Es war das erste Mal, dass sie
auf dem langen Wege wieder einmal lachten, und es tat ihnen gut, ohne dass sie
es wussten. Glücklicherweise war an dem Gefängnis eine Uhr... Es
grauste sie, als sie den riesigen schmutzigroten Ziegelbau sahen mit seiner dreifach mannshohen Mauer. Und sie waren froh, dass
die Uhr schon fünf Minuten vor elf zeigte. Sie brauchten also wenigstens
nicht lange zu warten...
    „Wo wollen wir uns nun
aufpflanzen?“ fragte Mala .
    Aber da hatte Knöres schon einen langen Eisstreifen am Rande des
Gehweges entdeckt, und als die Uhr mit raschen hellen Schlägen elf schlug,
waren sie alle zusammen eifrig dabei, Bahn zu schlagen. Ein paar Kinder aus der
Straße hatten sich auch schon herbeigefunden, und so konnten die Kerle,
die gleich kommen würden, wirklich keinen Verdacht haben.
    Aber es dauerte doch noch fast
zehn Minuten, ehe das kleine eiserne Pförtchen neben dem Haupttore sich
öffnete und hintereinander drei junge Kerle von etwa zweiundzwanzig oder
dreiundzwanzig Jahren herauskamen. Dann ging die Türe zu.
    „Da sind sie“,
sagte Silli sofort, „wir brauchen gar nicht
erst nach der kaputten linken Hand zu suchen... Holla, pass auf, Döll,
sonst renn ich dich um...“

    Sie flog hinter dem Jungen
dahin über die blanke Bahn, und nun lief sie noch ihre paar Schrittchen
über das Ende weiter, drehte sich um und rief laut: „Jetzt
müssen wir nach Haus’. Um zwölf Uhr wird gegessen, das wisst
ihr doch!“
    Die dreie gingen eben an ihnen
vorüber und sahen überhaupt nicht hin. Erst als sie ein gutes
Stück weiter waren, machten sich die Spione des Roten U hinter ihnen her
auf den Weg, aber vorher besprachen sie noch schnell, dass sie so tun wollten,
als gehörten sie nicht alle zusammen, und Mala und Boddas schlenderten nun ein Ende hinter den
anderen und auf der gegenüberliegenden Straßenseite. – Doch
all diese Vorsicht war nicht nötig, - die drei Burschen schauten sich gar
nicht um, geradewegs gingen sie, fast dieselben Straßen, die der kleine
Klub vom Roten U eben gekommen war, der Altstadt zu. Und bald, als sie in das
Menschengetriebe der großen Stadt kamen, waren die

Weitere Kostenlose Bücher