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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Sandkuchen mit der Kleinen zu backen oder irgendwas in der Art. Eine Frau namens Westwood. Kennen Sie sie?«
    »Ja, ich kenne Dr. Westwood.« Mein Herz begann unangenehm hektisch zu schlagen. Ich hatte keine Lust, Renborn zu verraten, dass Bella Westwood sogar meine Lehrerin gewesen war. Wir hatten sie alle verehrt – eine junge, beeindruckende und intelligente Frau, die oft mit süffisanter Miene auf ihrem Pult saß und ihre schlanken Beine baumeln ließ, während sie unterrichtete –, und es würde mir immer schwer fallen, sie als mir gleichgestellt zu betrachten. Einmal Lehrerin, immer Lehrerin. Wenn ich siebzig und sie achtzig wäre, würde sie immer noch die Frau sein, die mir an den Rand meiner Seminararbeit geschrieben hatte: »Hüten Sie sich davor, Instinkt und Hypothese zu verwechseln, Katherine.« Jetzt war ich im Begriff, mich in ihre Welt zu drängen, womöglich sogar ihr Urteil in Zweifel zu ziehen.
    »Also, was wollen Sie?«, fragte Renborn.
    »Ich würde gern mit dem Ehemann reden. Vielleicht auch mit dem Kind, falls das möglich ist.«

    Er runzelte die Stirn. »Ich persönlich wüsste nicht, was dagegen sprechen sollte. Aber wegen des Mädchens müssten Sie sich an Dr. Westwood wenden. Ich weiß nicht, ob Sie sie in ihre Nähe lassen wird. Es gibt komplizierte Regeln, was man zu ihr sagen darf und was nicht. Ich verstehe davon sowieso nichts.«
    »Kein Problem«, antwortete ich. »Fragen Sie Dr. Westwood. Mal sehen, was sie sagt.«
    »In Ordnung«, antwortete Renborn. »Wir geben Ihnen dann Bescheid.«
    »Ich warte.«
    Renborn stieß einen Grunzlaut aus. »Meinetwegen«, sagte er. »Wenn Sie so freundlich wären, einen Moment hinauszugehen, dann rufe ich sie gleich an.«
    Mir blieb kaum genug Zeit, einen Schluck Wasser aus dem Kühlapparat auf dem Gang zu trinken. Renborn wirkte verblüfft und nicht gerade erfreut, als er aus seinem Büro kam.
    »Kennen Sie Dr. Westwood?«, fragte er mich wieder.
    »Ist schon eine Weile her«, antwortete ich ausweichend.
    »Hmm«, meinte er. »Ich war sicher, dass Sie Ihnen eine Abfuhr erteilen würde. Hat sie bisher bei allen anderen gemacht. Sie haben bei ihr wohl einen Stein im Brett?«
    Letzteres sagte er mit einer leicht ironischen Miene.
    »Dann geht das also in Ordnung?«
    »Sie wird heute Nachmittag mit Ihnen hinfahren.«
    »Vielen Dank.« Im Geist änderte ich bereits meinen Zeitplan für den Tag.
    »Hören Sie«, fügte er hinzu, »ich habe keinen blassen Schimmer, was Sie im Schilde führen, aber wenn Sie auf irgendwas stoßen, dann sagen Sie es bitte zuallererst mir.
    Ich wäre sehr enttäuscht, wenn ich es auf der Titelseite der Daily Mail lesen müsste.«
    »Ich möchte nur helfen«, antwortete ich. Noch während ich es sagte, wurde mir bewusst, dass ich dieselben Worte auch bei Pavic verwendet hatte. Mein neuer Slogan. Klang ziemlich melancholisch.
    »Na, bitte«, stellte Renborn in traurigem Tonfall fest.
    »Nun reden Sie wieder wie ein Astronom.«
    »Astrologe«, korrigierte ihn die Beamtin.
    »Ich wollte Sie nur testen.«

    »Wie geht es Ihnen, Kit?«, fragte Bella, während sie mich mit einem mitfühlenden Blick musterte. Ich konnte mich daran erinnern, dass sie mir Blumen ins Krankenhaus geschickt hatte und dazu eine Karte mit einer Zeichnung von einer Frau, die sich vorbeugte und ihr langes Haar bürstete. Bellas Handschrift war kühn und schwungvoll.
    Ich hatte die Blumen behalten, bis sie ganz verwelkt waren. Es war mir immer wichtig gewesen, dass Bella gut von mir dachte. Man brauchte kein Psychologe zu sein, um zu wissen, dass sie und Rosa meine Mutterfiguren waren, in meinen Augen sowohl für Autorität als auch für Trost standen, »Besser, glaube ich.«
    Wir standen mit Bellas zerbeulter alter Kiste im Stau, sodass sie sich zu mir umdrehen konnte, ohne unser Leben aufs Spiel zu setzen. Sie hatte ein schmales Gesicht, mittlerweile Krähenfüße um die Augen, winzige Fältchen über der Oberlippe und graue Strähnen in ihrer üppigen braunen Lockenmähne. Sie war auf eine raffinierte Art gekleidet. In ihrer dunklen Hose und dem hellbraunen Pulli besaß sie Schick und strahlte eine gewisse Professionalität, aber auch Lässigkeit aus, ohne gleich abschreckend zu wirken.
    »Danke, dass Sie mich mit Emily reden lassen.«

    »Ich würde es nicht tun, wenn ich der Meinung wäre, dass Sie sich ihr gegenüber ungeschickt verhalten könnten
    – muss aber sagen, dass ich nicht weiß, worauf Sie eigentlich hinauswollen.«
    Als ich zu einer Antwort

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