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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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ansetzte, brachte sie mich mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Ich habe grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, solange Sie das Kind nicht verwirren oder stressen, was Sie aber bestimmt nicht tun werden, da bin ich mir sicher.« In diesem Satz schwang eine Warnung mit. Sie brauchte nicht explizit zu werden. »Mein Job besteht einzig und allein darin, mit Emily zu sprechen und ihr, falls nötig, Hilfe anzubieten. Die polizeilichen Ermittlungen fallen nicht in meinen Zuständigkeitsbereich.« Und in Ihren auch nicht. Diesen Zusatz brauchte sie gar nicht laut hinzuzufügen.
    »Wie sind Sie bisher vorgegangen?«
    »Ich habe sie gefragt, woran sie sich erinnert.«
    »Einfach so.«
    »Warum nicht? Ich weiß, was Sie jetzt denken – dass das zu einfach klingt und wenig Erfolg verheißt. Letztes Jahr musste ich mich um einen vierjährigen Jungen kümmern, der sich in der Wohnung befand, als seine Mutter vergewaltigt und anschließend ermordet wurde. Er hatte acht Stunden allein mit ihrer Leiche verbracht und ein so schlimmes Trauma erlitten, dass er kaum mehr sprechen konnte. Erinnern Sie sich an den Fall?«
    Ich nickte. »Da standen wir vor dem Problem, Damien zu heilen und gleichzeitig herauszufinden, was er gesehen hatte. Ein sehr komplexer Fall, der eine Menge indirekter Strategien erforderte. Spiele, Zeichnungen, Geschichten, Sie kennen das ja. Emily dagegen ist von ihrer Mutter lediglich am Spielplatz zurückgelassen worden. Sie hat kein Trauma, keine offenkundigen Seelenqualen. Meine Fragen haben sie nicht irritiert, und allem Anschein nach gab es in ihrem Fall auch nichts zu erinnern. Sie spielte mit den anderen Mädchen, und dann war ihre Mutter plötzlich nicht mehr da. Das war der Teil, der ihr Kummer bereitet hat, aber vom eigentlichen Verschwinden ihrer Mutter oder ihrer Entführung oder was auch immer es war, scheint sie nichts mitbekommen zu haben.«
    »Dreijährige sind nicht sehr gut darin, auf direkte Fragen zu antworten.«
    Bella lachte.
    »Keine Sorge«, meinte sie. »Ich habe mit ihr gespielt.
    Ich habe sie im Umgang mit ihren Freundinnen beobachtet, beim Spielen mit ihren Beanie Babies.
    Manchmal, so frustrierend das auch sein mag, müssen wir uns eingestehen, dass unsere ganze Sensibilität und alle cleveren Tricks nichts bringen, wenn es nichts zu entdecken gibt.«
    Wir fuhren durch Hampstead, bis wir ganz oben auf dem Hügel waren, und dann auf der anderen Seite wieder hinunter, durch eine wohlhabende Gegend, die ich noch nicht kannte. Bella bog in eine ruhige Straße ein und parkte vor einem Haus.
    »Emily und ihr Vater sind bei Philippas Mutter untergeschlüpft. Sie selbst wohnen nicht weit entfernt.
    Wenn ich richtig informiert bin, soll das möglichst nicht publik werden.«
    »Geht die Polizei davon aus, dass sie in Gefahr sind?«
    »Es ist hauptsächlich wegen der Presse, glaube ich.«
    Bella blieb noch einen Moment im Wagen sitzen. Ich blickte zu dem großen Haus hinüber. »Philippas Mutter muss ziemlich reich sein«, stellte ich fest, obwohl das offensichtlich war.

    »Sehr«, antwortete Bella. Sie trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad herum. »Hören Sie, Kit, haben Sie irgendwelche Informationen, die diesen Fall betreffen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Bella musterte mich mit einem Anflug von Besorgnis.
    Sie versuchte sich einen Reim auf mein Verhalten zu machen. Konnte es sein, dass ich verrückt geworden war?
    Mit angespannter Miene öffnete sie die Tür.

    Ich sprach mit Jeremy Burton in dem schönen Garten hinter dem Haus seiner Schwiegermutter, wo sich rundum gepflegte Blumenbeete und weicher Rasen erstreckten.
    Bella hatte mich vage als Mitarbeiterin vorgestellt und es dabei belassen. Ich wusste, dass er für eine Art Softwarefirma arbeitete. Wenn ich richtig informiert war, gehörte ihm sogar ein Großteil davon. Er war achtunddreißig, sah aber älter aus. Sein Haar war bereits grau, sein Gesicht wirkte angespannt, seine Augen waren blutunterlaufen. »Gibt es irgendwelche neuen Erkenntnisse?«, fragte er mich.
    »Tut mir Leid«, antwortete ich. »Darüber weiß ich nicht Bescheid, da muss ich Sie an die Polizei verweisen.«
    »Die einzigen Polizisten, die ich zu sehen bekomme, sind uniformierte Beamte. Bestimmt schleicht hier irgendwo einer herum. Die wissen aber nichts. Ich fühle mich … ich tappe völlig im Dunkeln.« Er rieb sich das Gesicht.
    »Ich glaube nicht, dass sie große Fortschritte gemacht haben.«
    »Sie werden ihn nicht erwischen«, erklärte er.
    »Wieso

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