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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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sagen Sie das?«
    »Heißt es das nicht immer? Wenn sie den Mörder nicht gleich finden, dann finden sie ihn meist gar nicht?«
    »Es wird zumindest schwieriger«, räumte ich ein.
    »Also, was kann ich für Sie tun?«, wechselte er das Thema.
    »Das mit Ihrer Frau tut mir ausgesprochen Leid.«
    »Danke.« Er blinzelte, als hätte er etwas im Auge.
    »Es muss ein Schock gewesen sein. Wo waren Sie, als Sie davon erfuhren?«
    »Ich habe das alles schon so viele Male gesagt, dass es mir gar nicht mehr wie die Wahrheit vorkommt.« Er schwieg einen Moment und brachte dann ein trauriges Lächeln zustande. »Sie müssen entschuldigen, ich stehe im Moment einfach völlig neben mir. Ich war zu Hause.
    Normalerweise arbeite ich mindestens einen Tag pro Woche von zu Hause aus.«
    »Hatte Philippa Kummer? Verzeihen Sie, ist es überhaupt in Ordnung, wenn ich sie Philippa nenne? Es erscheint mir seltsam, auf diese Weise über jemanden zu sprechen, den man gar nicht gekannt hat, aber wenn ich sie Mrs.
    Burton nenne, komme ich mir vor wie eine Finanzbeamtin.«
    »Vielen Dank.«
    »Wofür?«
    »Dafür, dass Sie fragen. In den Zeitungen nennen sie meine Frau Pippa, müssen Sie wissen. Dabei ist sie in ihrem ganzen Leben nie Pippa genannt worden. Ich habe sie manchmal Phil genannt. Jetzt ist es die Tragödie von Pippa – Pippa dies, Pippa das. Ich glaube, sie benutzen diese Abkürzung nur, weil sie besser in eine Schlagzeile passt. Philippa hat zu viele Buchstaben.«
    Seufzend fuhr er sich mit einer Hand durchs Haar. »Und um auf Ihre Frage zu antworten, nein, sie schien mir keinen Kummer zu haben. Sie war guter Dinge. Wie immer. Es war alles ganz normal, nicht anders als sonst.
    Wir waren glücklich miteinander – auch wenn es mir jetzt manchmal so vorkommt, als könnte ich mich gar nicht mehr richtig erinnern.«
    »Mr. Burton …«
    »Ich verstehe nicht so recht, was Phils Befinden mit ihrem Tod zu tun haben könnte.«
    »Es geht mir um Verhaltensmuster. Im Grunde stelle ich nur dieselbe Frage, die Sie sich bestimmt auch stellen, nämlich: Warum sie?«
    »Alles war ganz normal«, antwortete er, klang dabei aber nicht ärgerlich, nur verwirrt. »Normale Laune, normaler Gemütszustand, normale Verhaltensmuster.
    Wissen Sie, wenn ich das sage und Sie mich dabei so eindringlich ansehen, klingt plötzlich alles verdächtig und seltsam. Überhaupt, was ist eigentlich normal?«
    »Gab es im Leben Ihrer Frau so etwas wie feste Abläufe?«
    »Ich denke schon. Sie kümmerte sich um Em und um das Haus, besuchte Freunde oder ihre Mutter, ging einkaufen. Sorgte dafür, dass in unserem gemeinsamen Leben alles reibungslos lief. Wir waren ein recht traditionelles Paar, müssen Sie wissen.«
    »Hat sie letzte Woche Freunde besucht?«
    »Das habe ich der Polizei schon gesagt. Sie hat ihre Mutter besucht und sich mit Tess Jarrett getroffen.« Ich merkte mir den Namen.
    »Wenn ihr etwas Kummer bereitet hätte, hätte sie Ihnen davon erzählt?«
    »Dr. …«
    »Quinn. Kit Quinn.«

    »Richtig. Sie hatte keinen Kummer. Sie ist von einem Wahnsinnigen ermordet worden. Das sagen alle. Hören Sie, ich weiß wirklich nicht, was Sie von mir wollen. Alle wollen was von mir. Die Polizei will, dass ich im Fernsehen in Tränen ausbreche und gestehe, dass ich es war. Die Presse will auch weiß Gott was. Emily will – nun ja, sie will wissen, wann ihre Mami wieder nach Hause kommt, nehme ich an. Ich weiß es nicht.« Seufzend sah er mich aus seinen blutunterlaufenen Augen an. »Ich weiß es nicht«, wiederholte er.
    »Was wollen Sie?«, fragte ich. Er rieb sich die Augen.
    Er wirkte müde und traurig. »Ich möchte mit Emily nach Hause fahren, wieder in die Arbeit gehen, in Ruhe gelassen werden. Ich möchte, dass alles wieder seinen normalen Gang geht.«
    »Was natürlich nicht möglich ist.«
    »Ich weiß«, antwortete er müde. »Ich weiß. Am liebsten würde ich eines Morgens aufwachen und feststellen, dass alles nur ein Traum war. Dabei kann ich mich tatsächlich jeden Morgen nach dem Aufwachen einen Moment lang nicht erinnern, aber dann fällt es mir wieder ein. Können Sie sich vorstellen, was für ein Gefühl das ist? Sich das Ganze immer wieder von neuem bewusst zu machen?«
    Ich schwieg einen Moment, und er starrte auf das Gras.
    »War Ihre Frau jemals im sozialen Bereich tätig?
    Vielleicht mit Pflegekindern oder so was in der Art?«
    »Nein. Sie hat in einem Auktionshaus gearbeitet, als wir uns kennen lernten, aber damit hat sie aufgehört, als Emily

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