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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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einem »Golfball«, der so wild hin und her flog wie ein im Schornstein eingesperrter Vogel -, und ich schrieb gern. Zum Mörder war ich ja schon geworden, warum sollte es also noch irgendetwas geben, das unter der Würde meiner Begabungen war?
    Zuerst schickte sie die Geschichten an Magazine, die zum untersten Marktsegment gehörten. Nach ihrem Erscheinen baten mich die Herausgeber um Nachschub. Anfangs machte es mir Spaß, die Geschichte aufzubauen, deren Auf und Ab dem Koitus selbst entsprach. Das Schreiben ging mir schon bald sehr flott von der Hand.
    Es gibt nichts Konventionelleres als die kluge Prophylaxe der Pornographie, deren Ende im Verzicht auf einen Abschluss besteht. Niemand nimmt Abschied, niemand spricht über seine Traurigkeit. Anna Freud, die ewige Jungfrau, sagte einmal, in der Phantasie könne man sein Ei auf jede beliebige Art zubereiten, nur essen könne man es nicht. Wenn man sich ganz auf Phantasien verlässt, ist das ungefähr so, wie wenn man statt der Mahlzeit die Speisekarte verzehrt. Für all jene, die immer wieder das Gleiche wollen, ist das wohl mehr als ausreichend. Ja, es waren sogar immer die gleichen Wörter: Ich stellte eine Liste mit den Grundzutaten der Pornoprosa zusammen, würzig und vollmundig -härter, härter, komm, komm! - und streute sie jedes Mal in den Text ein. Doch die Magazine erlaubten mir auch, über semipornographisches Material zu schreiben, und ich verfasste Artikel über de Sade, Beardsley, Hugh Heiner und die Geschichte pornographischer Bilder, und ich genoss die vorbereitende Lektüre jedes Mal sehr.
    Einmal wurde ich für ein Treffen mit einem abgerissenen Typen in ein schmutziges Hotel bestellt. Er bat mich um Kurzromane mit Titeln wie Die Zuchtmeisterin. Das war viel Arbeit, doch wie ich langsam merkte, galt das für so ziemlich alles, was man tat. Wenn ich richtig in Schwung war, konnte ich einen solchen Roman immerhin an einem Wochenende herunterschreiben. Aber nicht bis in alle Ewigkeit. Die Pornographie ist das Junkfood der Liebe, und ich bekam bald keinen Bissen mehr hinunter. Da ich jung war, geriet ich immer wieder in Versuchung zu ergänzen, abzuschweifen, mich irgendwie selbst auszudrücken. Was machten die Paare nach dem Sex? Fanden sie es schwierig, peinlich, langweilig? Was taten sie zu Hause? Was erzählten sie ihren Eltern? Es waren Bardamen, Geschäftsmänner, Hotelangestellte, Leute, die sich unverbindlich und nur aus einem Grund trafen, und dieser Grund war nicht überzeugend genug. Die ganze Pornomasche brach in sich zusammen, als ich einen Roman über zwei jeweils verheiratete Menschen schrieb, die sich nur zum Reden trafen.
    »Quatschen! Jeder kann quatschen! Wo bleibt das verfickte Ficken?«, schrie der Mann im Hotel, raschelte verzweifelt in den Seiten des Manuskripts und schleuderte es schließlich quer durchs Zimmer. »Was soll das sein - Piaton? Piatons Lustschlösschen ist das jedenfalls nicht!«
    Die Grenze zwischen Pornographie und Literatur konnte man nicht überschreiten. Das Brechen des Pornobanns glich dem Moment auf einer Party, wenn plötzlich die Lichter angehen und man nur verhärmte Gesichter und Müll erblickt. Inzwischen wird die Pornographie emotionaler, und normale Kinofilme enthalten mehr Sex.
    Es war eine seltsame Erfahrung, eine keusche Beziehung zu führen und gleichzeitig ständig an Sex zu denken. Ich sprach regelmäßig mit Karen über die Geschichten, und sie machte mir Vorschläge, die oft auf eigenen Erlebnissen basierten. Genau darin bestand unsere sexuelle Beziehung - in diesen Gesprächen und in meiner Arbeit.
    Für mich war alles völlig okay zwischen Karen und mir, bis sie schwanger wurde. Gut möglich, dass so etwas in einer keuschen Beziehung kaum denkbar ist, aber unmöglich ist es nicht, wie ich feststellen musste. Platonische Liebe ist eine Waffe, die wider Erwarten geladen sein kann. Als wir in ihrer Wohnung betrunken zu Bett gingen, was, wie ich nur ungern gestehe, viel zu oft geschah, trieben wir es im Schlaf miteinander. Daran konnte ich mich sogar noch erinnern. Wir gingen selbstverständlich beide davon aus, dass sie abtreiben würde. In der Klinik kannte man sie schon, und ich scherzte, dort sei sie ja fast zu Hause. Eines Morgens brach sie dann mit einer Tasche auf, die Sachen für eine Nacht enthielt.
    Karen hatte sich ihrem Job genauso verschrieben wie ein Künstler seiner Vision. Sie erfuhr immer wieder massive Verachtung von Künstlern und talentierten Leuten, war aber nach wie vor der

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