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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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zudem eine Chance, die bis dahin kaum jemand erkannt hatte. Das Ausmaß ihres Kultur-Terrorismus erfasste ich erst, als ich ihr vorschlug, in einen Film mit Untertiteln zu gehen. »Nein - nie im Leben!«, schrie sie. »Nicht in einen ausländischen Film, bei dem man auch noch lesen muss! Ist der in Zeitlupe? Merkst du nicht auch, wie du da plötzlich alterst?«
    Wenn ich das Theater oder eine Galerie empfahl, lehnte sie nicht rundheraus ab. Schließlich war es nicht so, dass sie bei solchen Ausflügen wunde Füße bekam - was mich allerdings auch nicht weiter verwundert hätte, denn sie trug fast immer Stilettos, und sogar ihre Hausschuhe erhoben sich gute fünf Zentimeter über den Boden. Nein, stattdessen hielt sie die Kunst für angeberisch, leer, wertlos, für eine Beleidigung der Öffentlichkeit und eine Verschwendung von Steuergeldern. »Tschaikowskys Schuld und Sühne, Tschechows Letzte Symphonie - alles der letzte Schrott!«
    Als Anhängerin Thatchers wollte sie all das loswerden. Die »herrschende Schicht« des Fernsehens, der alte und sensible, vor allem aber affektierte Uxbridge-Mob samt Kirche und Monarchie würde jetzt, am »Endpunkt der Geschichte«, durch »das Volk« ersetzt werden, worunter sie offenbar die Dummen und kulturell Verwilderten verstand. Ich war nicht der Einzige, der Väter ermordete. In den Sechzigern und Siebzigern, als man zum Sturmangriff auf Patriarchat und Phallus geblasen hatte, war genau das ein regelrechter Kult. Und wer stand am Ende jener ikonoklastischen Dekade? Thatcher: ein Schicksal, schlimmer als jeder Mann.
    Inzwischen leben wir natürlich in Thatchers Psyche, wenn nicht sogar in ihrem Anus, beziehungsweise in der von ihr erschaffenen Welt des Wettbewerbs, Konsums, Promi-Kults und des Ergebnisses der Schuldgefühle: der Wohltätigkeit - Kaufrausch und Schuld. Damals waren solche Sichtweisen allerdings völlig neu.
    Immerhin brachte mich Karen dazu, nicht mehr zwischen ernster Kultur und Unterhaltung zu unterscheiden. Vorher hatte ich wohl etwas von einem Snob gehabt und mich mit der Frage geplagt, ob es auch wirklich gesund sei, von Roy Orbison und Dusty Springfield so tief bewegt zu werden. Doch Karen führte mir unabsichtlich vor Augen, wie sinnlos solche Trennlinien waren.
    Nicht, dass ich Karen groß für das interessieren konnte, was ich tat. Sie ließ mich zwar in Ruhe studieren, hielt den Beruf des Analytikers aber für nicht überzeugend und schien zu glauben, ich wollte Astral-Channeller oder Wahrsager werden. Dies merkte ich nicht nur daran, dass sie Probleme bekam - und einen großen Widerwillen, wenn nicht gar Scham zeigte -, wenn sie anderen erklären musste, was ich tat, sondern auch daran, dass sie, ohne mich darüber zu informieren, beschloss, als Fernsehmoderator wäre ich besser dran.
    Im Fernsehen gab es kaum schwarze oder braune Gesichter, und mein Schicksal sollte es sein, dieses Ungleichgewicht ins Lot zu bringen. Ich sagte ihr zwar, das sei absolut zwecklos, aber sie bestand darauf, dass ich zweimal für den Posten des Moderators einer neuen Medien-Show namens Television/Television vorsprach.
    In einem geborgten Armani-Sakko musste ich mich vor der Kamera an einen Tisch setzen (da ich nicht sehr groß bin, lag ein Kissen auf dem Stuhl) oder auch direkt auf den Tisch. Oder man wies mich an, um den Tisch herumzugehen und wiederholt zu verkünden: »Hallo, guten Abend und herzlich willkommen bei Television/Television. Heute haben wir ein exklusives Interview mit Sviatoslav Jarmusch für Sie, der die Ansicht vertritt, dass die Zukunft dieses Mediums in der Digitalisierung besteht. Um dies zu diskutieren, haben wir folgende Gäste zu uns ins Studio eingeladen ...«
    Wahrscheinlich hätte ich es schaffen können, und vielleicht wäre ich heute ein bekanntes Gesicht im Fernsehen, aber ich setzte die Sache ganz wunderbar in den Sand. Ich scheiterte auf atemberaubende Art und wirkte wie jemand, der noch nie im Leben ein Wort gesprochen hatte.
    Das war allerdings nicht das Ende meiner Medienkarriere. Karen und ich hatten erörtert, ob wir mit der Produktion von Pornofilmen Geld machen könnten. Sie würde produzieren, ich würde Regie führen, keiner von uns beiden würde eine Hauptrolle spielen. Doch sie kannte sich gut genug in dieser Branche aus, um zu wissen, dass die Verwirklichung solcher Filme zu lange dauerte. Es war kein Nebenjob. Das Zeug zu schreiben war weniger mühsam. Ich hatte mir eine schnelle elektronische Schreibmaschine gekauft - mit

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