Das sag ich dir
glich. Wir kamen an Alans Skulptur vorbei, und ich erzählte Karen, dass einer von Freuds Jüngern, Karl Abraham, einen Aufsatz über die Spinne als Symbol der weiblichen Genitalien verfasst hatte; sie stelle die Frau mit Penis und also die Gefahr der Kastration dar. Karen zeigte wie üblich kaum Interesse an meinen Ausführungen. Sie merkte erst auf, als sie sah, dass sich die schmiedeeisernen Tore schlossen. Auf dem Hof stiegen zwei selbstverliebte Stars aus einem Sportwagen und sahen sich um, als müssten sie ergründen, wo sie sich befanden und wie sie hier gelandet waren. Karen schlug sich beide Hände vors Gesicht und stieß einen »Beatles-Schrei« aus.
»Wer ist das?«, flüsterte ich. Ich erfuhr, dass es sich um den asiatischen Schauspieler Karim Amir handelte, gerade aus einere Rehaklinik bei Richmond entlassen. Ich sagte: »Und der andere, der nach ihm aus dem Auto gestiegen ist - ist das nicht Stephen Hero?«
»Doch nicht Stephen Hero, du Ignorant«, sagte Karen und schlug mich auf den Arm. »Wer zum Teufel soll das sein? Nein, das ist Charlie Hero. Er heißt Charlie, vergiss das ja nicht - nicht heute Abend und nimmermehr!«
Es freute mich, dass Karen die Alte geblieben war und sich immer noch von Berühmtheiten beeindrucken ließ. Vorjahren hatte sie natürlich so gut wie jeder Promi beeindruckt - ja, sogar jeder Bekannte irgendeiner Berühmtheit. Und die Helden der Popkultur hatten sie immer noch nicht enttäuscht.
Karen nahm mich auf eine Zigarette und ein Glas Wein mit in die Küche.
»Stimmt etwas nicht? Bist du nervös?«, fragte sie, als sie mit einer Hand über mein Sakko bürstete.
»Ich sterbe vor Aufregung«, antwortete ich. »Keine Ahnung, warum. Aber du bist bei solchen Anlässen ja immer in deinem Element.«
Sie kicherte. »Zeige ich auch genug Busen?«
»Du bist regelrecht barbusig und außerdem«, sagte ich und musterte sie von Kopf bis Fuß, »faktisch unergründlich. Die Stöckelschuhe sind große Klasse. Ich kann dir nur raten, in die Vollen zu gehen.«
»Genau das habe ich vor, Jamal, und ich bin froh, dass du es gutheißt. Viele andere Männer hier dürften etwas kurzsichtig sein.« Sie holte eine Flasche. »Los, lass den Drink nicht verkommen - diesen Saft gibt es hier eimerweise.«
»Schenk mir noch einen ein.«
»Aber gern.« Sie sah sich in der großzügig bemessenen Küche um. »Stimmt schon - die Reichen sind anders. Sie besitzen nichts Überflüssiges. Sie lassen ihren Krempel skrupellos von irgendwelchen Dienern entsorgen. Ich habe immer geglaubt, später einmal reich zu sein«, sagte sie. »In den Achtzigern bin ich fest davon ausgegangen. Du auch?«
»Ich war zu blöd, um zu kapieren, wie angenehm es sein kann, Geld zu haben. Du stehst immerhin gut da.«
»Ja, aber das reicht nicht. Wir haben beide versagt, Jamal.«
Wir sahen Mustaqs Angestellten zu, die in ihren eleganten, aber lässigen Uniformen schweigend die Treppe hinauf- und hinabeilten. Sie sahen die Gäste nicht nur nicht an, sondern senkten im Vorbeigehen sogar den Kopf.
Eine Viertelstunde später betraten Karen und ich das Esszimmer. Ganz hinten stand ein Flügel, die Wand war mit goldenen Schallplatten, Fotos und Gitarren dekoriert. Karen erspähte sofort Charlie und Karim und ging hin, um ihnen Gesellschaft zu leisten.
Ich hielt mich zurück und zögerte, bis ich Gewissheit hatte - bis ich sehen konnte, dass es stimmte: Ajita nahm am Dinner teil. Sie trug ein schwarzes Kleid; bis auf einen silbernen Reif waren ihre Arme nackt. Ich versuchte, ihren Ehering zu erkennen, aber sie war zu weit weg. Sie hatte immer teure Kleider getragen, eine Angewohnheit, die sie offensichtlich beibehalten hatte, auch wenn sich ein Hauch von Protz mit hineinmischte. Sie sah aus wie eine dieser Frauen in einem Mailänder Restaurant, bei denen man unwillkürlich zweimal hinschaut. Ihr Haar war glänzend schwarz und unverändert, aber ihr Gesicht konnte ich nicht sehen, weil sie es halb von mir abgewandt hatte und gerade lachte.
Karen winkte mir, damit ich mich zu ihr setzte. Da ich erst einmal meine Aufregung niederkämpfen musste, rührte ich mich aber nicht vom Fleck. Am liebsten hätte ich die Zeit angehalten, und ich wollte, dass Ajita mich erblickte, obwohl ich wusste, dass irgendeine Art von Ärger vorprogrammiert war, wenn das geschah. Welche Art, wusste ich nicht, aber wie konnte die Welt nach einer solchen Begegnung nicht kurz aus dem Tritt kommen?
Als ihr Blick schließlich auf mich fiel, durchfuhr sie ein
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