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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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küsste mich auf beide Wangen und auf die Lippen und fuhr mit den Fingern durch mein Haar. »Du hast dich kaum verändert. Deine Haare sind zwar grau, aber immer noch wie Kükenflaum. Du hast ein paar Falten und bestehst nicht mehr nur aus Haut und Knochen. Aber du hast Ausstrahlung, und du hast in deinem Leben viele wichtige Dinge getan ...«
    »Ganz bestimmt nicht, nein ...«
    Sie sagte: »Ich habe dich beim Abendessen beobachtet und gedacht, dass du noch besser aussiehst, als ich dich in Erinnerung habe. Was für ein attraktiver, kluger Mann er doch ist, habe ich gedacht. Einer, der geliebt und begehrt wurde.«
    »Sehr freundlich. Falls es stimmt, wäre es viel. Ich werde versuchen, dankbarer zu sein.«
    »Ich glaube, das bist du schon«, sagte sie. »Wer ist die Frau, die mir gegenübergesessen hat? Wir wurden einander vorgestellt, aber ich habe ihren Namen nicht verstanden. Wenn sie nicht mich angestarrt hat, hat sie dich mit Argusaugen beobachtet. Ist sie deine Frau gewesen?«
    »Ich war einmal verheiratet, allerdings nicht mit ihr. Ich bin sogar noch verheiratet, oder besser: noch nicht geschieden. Aber nach deinem Verschwinden war ich mit der Frau zusammen, die du meinst - Karen.«
    »War es eine gute Beziehung?«
    »Aus ihrer Sicht nicht. Vermutlich war ich noch nicht über dich hinweg. Das hat lange gedauert - vor allem, weil ich immer geglaubt habe, du würdest zurückkehren.«
    Sie war eine Weile still. »Jamal...«
    »Ja?«
    »Bitte sag nicht, dass es zu spät ist. Wir sind noch nicht alt. Oder bin ich nicht mehr attraktiv für dich? Schau - schau!« Sie stand auf, öffnete ihren Bademantel und ließ ihn zu Boden fallen. »Schau«, sagte sie. »Das bin ich. So sehe ich inzwischen aus.«
    Ich betrachtete sie, und sie war mir sowohl vertraut als auch fremd. »Was würde dein Mann dazu sagen?«, fragte ich, nur um es im nächsten Moment zu bereuen.
    Sie zog sich den Mantel wieder an und legte sich auf das Bett. Ich stand auf und entkleidete mich.
    Während sie mich betrachtete, sagte ich: »Ich weiß nicht, was ich mir für uns wünsche. Es ist lange her. Wir müssen einander wohl Zeit lassen.«
    »Zeit gibt es noch, wir haben sie. Ich werde auf dich warten, so wie du auf mich gewartet hast.« Sie schlüpfte unter das Oberbett. »Ich muss endlich wieder mit jemandem schlafen. Nachdem ich jahrelang versucht habe, meine Tochter aus meinem Bett zu bekommen, will sie mir keine Gesellschaft mehr leisten. Mein Mann und ich haben getrennte Zimmer und jetzt getrennte Länder. Daher bewegt es mich so ... eine Nacht mit einem Mann zu verbringen.«
    Wir lagen im Dunkeln, ohne einander zu berühren. Menschen in unserem Alter führen ihren Körper nur ungern jemandem vor, außer es handelt sich um Narzissten. Natürlich hatte ich Ajita im Pool gesehen. Sie hatte sich recht gut gehalten, doch sie ging gebeugt und schien geschrumpft zu sein, als wollte sie sich so klein machen wie eine junge Schauspielerin, die die Rolle einer älteren Frau spielt.
    »Ja«, sagte sie, »ich weiß, dass ich inzwischen einer alten Frau ähnele. Das habe ich an deinem Blick erkannt. Mein sexueller Zauber, meine Schönheit - alles futsch.«
    »Bei mir doch auch. Ich dachte gerade daran, wie gern wir im Garten neben deinem Haus in der Sonne gelegen haben. Du warst fast schwarz. Das macht jetzt niemand mehr. Weißt du noch, dass ich immer so tun musste, als wäre ich Mushy Peas Busenfreund?«
    »Ich möchte, dass wir uns alle vier wiedersehen - du, ich, Wolf und Valentin. Könntest du nicht ein Treffen organisieren?«
    »Sie sind kurz nach dir verschwunden, um in Frankreich ihr Glück zu machen.«
    »Wie ist es ihnen ergangen?«
    »Das haben sie mir nie erzählt.«
    »Sehr schade«, sagte sie. »In New York kaufe ich Möbel oder Kleider. Ich spende täglich etwas für die Wohlfahrt, und ich kaufe täglich etwas Neues. Ein einfaches System - nehmen und geben. Ich gehe im Park spazieren, besuche Freunde, und wenn mein Bruder auf Tour ist oder in einer Fernsehshow auftritt, entwerfe ich die Kostüme. Das ist viel Arbeit, ein richtiger Job. Ich mache Yoga und Kabbala, alles, was mir aus der Krise hilft. Wenn ich mich nach ein paar Wochen nicht wieder wohlfühle, probiere ich etwas anderes. Jeder Selbstmörder bringt durch seine Tat auch andere um, und deshalb kann das kein Ausweg für mich sein. Dann haben mir die Ärzte etwas verschrieben ...« »Antidepressiva?«
    »Egal. Es hilft gegen die schlimmste Angst. Ich will mich normal

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