Das sag ich dir
auf und sah mich so eindringlich an, als würde er sich über unser seltsames Gespräch wundern, entschuldigte sich und ging zu den anderen Gästen, die sich fast alle im Zimmer versammelt hatten.
Ich beobachtete Ajita, die sich mit einem Freund Mustaqs unterhielt. Sie lachte genau wie früher und legte sich eine Hand vor den Mund, als hätte sie gerade etwas Ungehöriges gesagt, blieb ab und zu stehen, um zu reden, und half Alan und ihrem Bruder, das Wochenende zu managen.
Als ich mich zu den anderen gesellte, erfuhr ich von Alan, der Omar ziemlich gut nachahmte, dass dieser beschlossen hatte, in die Stadt zu fahren, »um mal zu schauen, wer sich dort herumtreibt«. Er hatte noch hinzugefügt: »Tja, weißt du, ich habe nie den Kontakt zum Normalbürger verloren!«
Nun hatte Omar angerufen, weil er in der Stadt festsaß und gerettet werden musste. Er schaffte es nicht allein zurück. Alan suchte Freiwillige für diesen Einsatz. Die Stadt, ein Paradebeispiel sozialistischer Nachkriegsplanung, war allem Anschein nach ein Rattenloch, das von tätowierten Brüsten und gewalttätigen Zombies nur so wimmelte und aus dessen Gullys Blut und Kotze schäumten. Das musste ich unbedingt sehen.
Wenn Omar bei Mustaq zu Besuch war, ging er gern in einen bestimmten Pub, in dem die verwahrlosten Jugendlichen des Ortes, meist Jimkies, krachend laute Musik hörten. Eines dieser Kids ließ sich immer ficken.
Omar war zu blau, um zu Mustaq zurückfahren zu können, und er wollte sein Auto nicht stehenlassen. Von all seinen Verbrechen konnte sich das Autofahren im betrunkenen Zustand eventuell als folgenschwerstes erweisen. Außerdem musste er am nächsten Morgen zeitig aus den Federn, um eine seiner vornehmen Pflichten zu erfüllen. Diese bestand darin, in einer schwarzen Limousine mit Polizeieskorte nach Heathrow zu fahren, um dort im Namen von Königin und Regierung einen ausländischen Würdenträger zu begrüßen, im Anschluss eine bunte Mischung von Mördern und Folterknechten in ihr Hotel zu begleiten und dabei Smalltalk zu machen.
»Ich muss höllisch aufpassen«, berichtete Omar, »weil ich manchmal >Diktator< statt >Doktor< sage.« Offensichtlich war er häufig in keiner besonders guten Form für diese offiziellen »Gruß-und-Kuss«-Rituale.
Alan brauchte jemanden, der Omars Auto zurückfuhr. Und da ich ein bisschen Abwechslung nötig hatte, fuhr ich mit Karen in die Stadt, Alan folgend, der den Pub kannte. Auf dem Weg nach draußen sagte ich zu Mustaq: »Komm doch mit.« Doch er schüttelte nur lächelnd den Kopf. Als wir ins Auto stiegen, sagte mir Karen, dass Mustaq nicht durch die Straße gehen oder einen Laden oder Pub betreten könne, ohne angepöbelt, mit Fragen bombardiert oder fotografiert zu werden.
Wir fuhren an einem gespenstischen Bauwerk namens The Hollywood Bowl vorbei, einem Multiplex-Kino, an einem >Drivethru<-McDonald's, Sicherheitsleuten und Kindern mit Kapuzen, die über windgepeitschte Betonflächen irrten.
»Warum rast du so? Wir verfahren uns schon nicht. Bist du betrunken?«
»Ja. Willst du aussteigen?« Dann sagte sie: »Vor fünf Minuten hätte ich dich eigentlich umbringen müssen.« »Was hat dich davon abgehalten?«
»Das ist also Ajita. Die Frau, die du getreulich und wirklich geliebt hast. Die Frau, auf deren Rückkehr du gewartet hast. Du hast dagelegen, mein Süßer, ein versonnenes Lächeln auf den Lippen und ein offenes Buch auf der Brust, und hast nachgedacht. Das waren jene Momente, in denen du in Gedanken bei ihr warst. Und dafür habe ich dich irrsinnig gehasst.«
»Und? Bist du jetzt angenehm enttäuscht?«
»Für eine Frau ihres Alters ist sie stinknormal. Das Alter der Verzweiflung. Aber wenn ich genau hinschaue, kann ich durchaus erkennen, was sie früher gehabt hat. Piepsstimme, Niedlichkeit und den Willen zu gefallen. Dummerweise sollte ich ja Mitleid mit ihr haben. Unglaublich, diese Trübsal, die du geblasen hast und die ich ertragen musste! Sogar mir kam diese Frau fast mystisch bedeutsam vor. Ist ihr Vater nicht während eines Streiks ermordet worden?«
»So in etwa, ja.«
»Es lag nur an diesem Murks, dass ich am Ende den Falschen geheiratet habe. Du hast mir so lange das Gefühl gegeben, zweite Wahl zu sein, dass ich mich dem Erstbesten in die Arme geworfen habe, der mir Aufmerksamkeit geschenkt hat.«
»Das musste ja meine Schuld sein«, erwiderte ich.
»Nichts konnte dich aufmuntern, nicht einmal dieser blöde Analytiker, zu dem du ständig gerannt bist. Nach
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