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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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sie, bis ich müde war, küsste ihren Nacken, ihr Ohr und ihre Wange, und sie küsste mich auf die Mundwinkel. Wir passten uns problemlos dem Rhythmus des anderen an, und sie verzichtete zum Glück auf eine Show und stieß nur die leisen und leicht überraschten Laute normalen Geschlechtsverkehrs aus. Als ich schließlich kam - es war echte Arbeit, und ich hatte das Gefühl, einen schweren Zug durch einen endlos langen Tunnel geschoben zu haben -, zog sie mir ihre Fingernägel über den Rücken.
    Wir lagen nebeneinander. Die Göttin küsste mich mit ihren vollen Lippen auf Hals, Wangen und Mund. Ich streichelte und küsste sie, und sie sagte, ich sei ein Gentleman. Sie lag auf mir; ich mochte das Gewicht ihres Körpers und dachte keinen einzigen Moment an Lisas Gerede von Anonymität und Entmenschlichung. Viel verstörender war die abstrakte Zärtlichkeit. Wie viele Erwachsene wissen, besteht das Verstörende am anonymen Sex keineswegs in der Entfremdung, sondern ganz im Gegenteil in der Nähe und am tiefen Gefühl. Ich kann mich erinnern, dass Dad einmal Harold Robbins' Liebe niemals einen Fremden las. Eigentlich hätte es heißen müssen: Liebe immer nur einen Fremden. Vor einigen Jahren hatte ich immerhin kapiert, dass ich von Natur aus untreu war. Diese Erkenntnis kam spät, aber nicht zu spät. Dann fiel mir ein Satz von Paul Goodman ein: »Es gibt keinen Sex ohne Liebe oder deren Verweigerung.«
    Ich dachte an Josephine, die wie eine Gestalt aus Dantes Fegefeuer im Kama-Sutra-Club herumgeirrt war. Gierig, unersättlich, vielleicht verwirrt, aber immer mit dem Ziel, die menschliche Lust freizusetzen und auszuleben. Sogar in solchen Momenten ließ sie sich Zeit. Ihre Anmut liebte ich noch immer. Ich dachte daran, wie meine Schwester und mein bester Freund mit den Körpern anonymer Menschen spielten. Die Vielfalt und die Bedeutung der menschlichen Lust blieben mir ein Rätsel, und ich wunderte mich nach wie vor darüber, wie zerstörerisch
    und erfüllend sie sein konnte, wobei das Zerstörerische oft ein Ansporn war. Sexualität und Anstand würden niemals zusammenpassen.
    Josephines Besuch im Kama Sutra hatte mich überrascht, denn da sie meist ängstlich war und von lästigen Gedanken geplagt wurde, mied sie Extremsituationen. Sie zog Sicherheit und Stabilität vor. Außerdem war sie äußerst hygienisch, fast mit dem Narzissmus einer Katze, untersuchte ständig ihren Körper und rieb ihn mit Salben ein wie jemand, der die Karosserie eines Autos ohne Motor polierte. Ihr Sex-Trauma hatte mir allmählich Angst eingejagt. Ihre Befehle - schneller, langsamer, stärker, zärtlicher, mehr, weniger, dazwischen, da oben, dort unten - dienten immer nur dazu, das Loslassen zu verhindern. Die Notwendigkeit der Liebe und ihre komplette Verweigerung - eine endlose Qual. Ich war sowieso wütend auf sie, denn die Ehe hatte mich erfolgreich frustriert, und zwar über einen längeren Zeitraum, als ich ihn eigentlich hatte verplempern wollen. Einmal hatte ich ihr gesagt: »Bist du sicher, dass Liebe so mühsam sein muss?« Sie hatte nie kapiert und würde vielleicht auch nie kapieren, wie lustig Sex sein konnte. Ajita und ich hatten immer nur gelacht.
    Trotzdem schien sich in Josephine jetzt offenbar etwas getan zu haben. Ich hätte gern gewusst, was, obwohl es wahrscheinlich zu spät für mich war, um dies noch herauszufinden. Ich hatte immer geglaubt, dass sie irgendwann Fortschritte machen würde, allerdings nicht mit mir.
    »Schläfst du etwa?«, fragte die Göttin.
    Ich dachte: Bei einer Hure bezahlt man für sein Recht darauf, nichts sagen zu müssen, dafür, der Frau nicht das Wertvollste geben zu müssen, was man hat - seine Worte.
    »Du bist gut im Bett - für einen Engländer.«
    »Danke schön«, murmelte ich, wenn auch eher zu mir selbst. »Möchtest du einen Witz hören?«
    »O ja!«
    Sie schob ihr strahlendes Gesicht dicht an meines heran und lauschte. Ich wollte sie einfach nur zum Lachen bringen und dachte plötzlich, dass meine Frau eine Hure sein sollte. Und meine Huren sollten meine Partnerinnen sein.
    »Eine Prostituierte und ein Psychoanalytiker verbringen den Nachmittag zusammen«, erzählte ich. »Am Ende wenden sie sich einander zu und sagen gleichzeitig: >Das macht 3000 £ bitte!<«
    Sie hätte fast gelacht. Fast so bewegend wie der Sex mit der Göttin war es, wenn sie am Ende das Kondom entfernte und meinen Schwanz mit einem Kleenex abwischte. Ich mochte ihre Sorgfalt, denn die meisten Prostituierten

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