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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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Eigentlich kostete es zu viel Zeit, dort zu Mittag zu essen, denn die Fahrt mit dem Auto oder mit der U-Bahn dauerte fünfunddreißig Minuten. Montags hatte ich allerdings immer einen Patienten, der mir nur einen Scheck gab und mit gesenktem Kopf wieder davonschlurfte. Er kaufte meine Zeit, aber nicht meine Aufmerksamkeit, und so hatte ich eine Stunde frei. Wie sich herausstellte, war Bushy gerade verfügbar. Er fuhr mich zur Charing Cross Road und wollte mich später wieder abholen.
    Ich war pünktlich, und während ich darauf wartete, dass man mich an einen Tisch führte, sah ich mich in aller Ruhe im Restaurant um. Ein Vorzug des Ivy bestand in den idealen Räumlichkeiten: Jeder konnte jeden sehen, ohne aufdringlich zu sein. An diesem Mittag speiste hier eine gute Mischung von Medienmanagern, Fernsehkomödianten, Schauspielern, Popstars und ein paar Schriftstellern.
    Als ich schließlich an den Tisch geführt wurde, hatte Karen schon eine gute Flasche Wein geleert. Ich bestellte mir einen Cappuccino und musste mir Geschichten über ihren Gatten Rob, ihre Mädchen und Robs Geliebte, Ruby, anhören, die im Disneyland gewesen waren, während wir uns bei Mustaq die Nächte um die Ohren geschlagen hatten.
    »Ich habe dir vermutlich erzählt, dass sie alle im Disneyland waren, Jamal, aber das hast du sicher vergessen.«
    »Wieso?«
    »Letztes Wochenende bei George hast du ziemlich gesumpft. So habe ich dich seit Jahren nicht mehr erlebt.«
    »Oh, Mann, ich kann nur hoffen, dass ich mich nicht blamiert habe. Eigentlich betrinke ich mich nicht mehr so gern.«
    »Trotzdem kannst du dich immer an viele Details erinnern, Jamal. Sie bleiben irgendwie unten an deinem klebrigen Kopf hängen.« Sie fuhr fort: »Dieses Mädchen, diese Ruby, studiert Politikwissenschaft an der London School of Economics. Sie spielt in einer Frauenfußballmannschaft und dreht in ihrer Freizeit Dokumentarfilme über Asylsuchende. Sie möchte Filmregisseurin werden. Vielleicht schafft sie das ja auch. Wenn es um Sex geht, ist sie völlig enthemmt. Einmal habe ich Rob gefragt, was sie könne, das ich nicht kann. Saublöde Frage, oder? Schön - sie nimmt ihre Freundinnen mit zu ihm ins Bett, eine Geschichte, die mich noch tagelang beschäftigt hat.«
    »Wärst du gern diese Ruby?«
    »Wie sollte ich denn mit ihr mithalten?«
    »Und weiter?«
    »Meine jüngste Tochter hat mir erzählt, dass Ruby zunimmt. >Freut mich zu hören<, habe ich vergnügt erwidert. Ich glaube, ich habe sogar gegluckst. Dann hat meine andere Tochter gesagt: >Aber das ist kein Fett, sondern eine Beule.< Ich war natürlich völlig von der Rolle und habe ungläubig geblinzelt. >Eine Beule?<, habe ich gefragt. >Eine Beule? Stimmt das wirklich? Dann sind wir am Arsch. Es ist aus. Er kommt nicht mehr zu uns zurück. Wartet mal kurz, ich muss schnell zwei Tabletten nehmen.< Schenk mir noch einen ein, Jamal, mein Schätzchen.«
    Ich leerte den Rest der Flasche in ihr Glas. Sie beugte sich über den Tisch und sagte: »Dieser Mistkerl probiert es noch einmal. Vielleicht hat ihm seine erste Familie nicht gefallen. Aber jetzt wird er glücklich werden. Die Mädchen und ich und das Familienleben, das wir hatten, all das ist ihm total egal. Ich muss gestehen, dass wir lange gehofft haben, er würde eines Tages wieder zu der Tür hereinspazieren, durch die er verschwunden ist.«
    »Die Mädchen werden erwachsen«, sagte ich. »Du musst dir eine neue Beschäftigung suchen.«
    Karen sah sich hilflos im Restaurant um. »Männer sind Mangelware, das weißt du doch. Und auf einen bepissten Trottel, der high auf Viagra ist, kann ich verzichten. Dazu kommt, dass mich die Mädchen mit ihrer Pubertät stressen. Sie haben ihren ersten Freund und hängen länger am Telefon als ich. Sie haben keinen Bock darauf, dass ich einem Idioten den Tee auf einem Tablett serviere.« Da ich keine Zeit gehabt hatte, einen Blick in die Speisekarte zu werfen, hatte ich ein Glas Champagner getrunken und mein Lieblingsmenü bestellt: als Vorspeise Krabbensuppe, danach Fischklöpse mit Pommes frites. Ich achtete nicht darauf, was Karen aß, aber viel konnte es nicht gewesen sein.
    Ich erwähnte Henrietta, eine unserer Bekannten, die nie einen Hehl aus ihrer Lust an Männern und am Sex gemacht hatte. Ich sagte: »Überleg doch mal, wie viel Spaß sie hat. Viel mehr als wir beide. Die ganze Nacht gehen die Männer bei ihr ein und aus, obwohl sie drei Töchter hat.«
    »Henrietta?«, erwiderte Karen. »Die hat ein riesiges

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