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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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auf der Welt gebe, und dass man mehr Neugier wecke, wenn man sich attraktiver machen oder mehr Lärm schlagen würde.
    Ich betrachtete sie, und das Schweigen ersetzte alles, was wir einander hätten sagen können. Ihre Finger waren wie üblich keineswegs still, sondern trommelten so manisch auf den Tisch, als wollte sie irgendetwas in ihrem Inneren zum Tanzen bringen. Währenddessen redeten in meinem Kopf zahllose fragende Stimmen durcheinander. Vielleicht hatten wir beide auf eine Erklärung gehofft, nachdem unsere Ehe am Ende gewesen war, auf einen Tag, an dem der Knoten der Missverständnisse Faden für Faden entwirrt wurde.
    »Warum haltet ihr nicht Händchen?«, fragte Rafi grinsend.
    »Weil ich meinen Tee nicht fallen lassen möchte«, antwortete ich.
    Wir machten uns beide Sorgen um sein Älterwerden. Ich, weil ich gern mehr Kinder gehabt und bei ihnen gelebt hätte - es gefiel mir, wenn er seine Freunde mit in meine Wohnung brachte -, und sie, weil sie seine wachsende Unabhängigkeit und Sexualität fürchtete, die sie gefördert hatte, obwohl dies automatisch dafür sorgte, dass er sich von uns entfernte. Ich fragte sie: »Und? Gehst du aus? Triffst du jemanden?«
    Wenn vor ihrer Antwort eine Pause eintrat, wusste ich, dass sie ein Beruhigungsmittel genommen hatte. Sie spülte das Zeug meist abends mit Wein hinunter und zitierte laut die Beschriftung: »Nicht mit schweren Maschinen hantieren«; »Bitte von Kindern fernhalten«. Ich erwiderte dann immer: »Guter Tipp.« Sie mochte alles, was auf »pam« endete, etwa Temazepam, Lorazepam oder Diazepam. Ich nannte sie im Stillen Polyäthylen-Pam. Aber da sie nicht von irgendetwas oder irgendjemandem abhängig sein wollte, rationierte sie die Mittel inzwischen.
    »Eigentlich nicht«, antwortete sie schließlich. »Ich kümmere mich ja um Rafi, oder? Du warst bei Ajitas Bruder. Rafi hat mir das Autogramm von George gezeigt.«
    »Ja, ich war mit Henry und Miriam dort.«
    »Sie sind jetzt zusammen, richtig? Sehr nett von dir, ihnen zu helfen.«
    »Wenn du abends jemanden zum Einhüten brauchst, komme ich gern rüber und arbeite hier«, sagte ich. »Ich freue mich immer, Rafi zu sehen - und dich, egal wie kurz.«
    »Ja? Danke«, sagte sie. »Sehr nett von dir.«
    Bald darauf erhob ich mich vom Tisch.
    »Ich koche dir noch eine Tasse Tee«, sagte Rafi.
    »Das wäre eine Premiere«, erwiderte ich und gab ihm einen Kuss auf den Kopf. »Aber ich muss los.«
    Als ich ging, drückte er mir eine CD in die Hand. »Für dich, Dad.« Er hatte sie mir selbst gebrannt, und es waren einige seiner derzeitigen Lieblingssongs von Sean Paul, Nelly und L'l John darauf. Inzwischen tat er für mich, was ich früher für ihn getan hatte.
    Die Tür knallte hinter mir zu wie ein Gewehrschuss. Eines der wenigen Vergnügen im mittleren Alter bestand für mich in einem Nickerchen am Sonntagnachmittag. Gleich zu Beginn meiner Arbeit als Analytiker hatte ich die Angewohnheit entwickelt, zwischen den Terminen zu schlafen. Ich legte mich auf den Fußboden und schlief sofort ein, manchmal für zwanzig Minuten, manchmal nur für zehn.
    Doch an diesem Tag war ich nach dem Abschied von Rafi und Josephine so verzweifelt und bewegt - er winkte mir vom Fenster, nachdem er mich umarmt und gesagt hatte: »Heute darfst du nicht sterben, Daddy; wenn du hier leben würdest, wärst du in Sicherheit« -, dass ich mich zu Hause duschte und anschließend zum Telefon griff.
    SIEBENUNDZWANZIG
    Keller wie in London gibt es vermutlich in keinem anderen Land. Man biegt scharf von der Straße ab und steigt eine schmale, glitschige Treppe zu einer hallenden Kammer hinab, tritt durch eine Tür, lässt den Lärm hinter sich und befindet sich unter der Erde, wo alles kühler ist. Fast so, als würde man die Grenze von einem Mahlstrom zu stillen Gefilden überschreiten.
    Ich stand in einem dunklen, schmalen Flur, von dem mehrere Türen abgingen. »Ich hatte das Gefühl, als könnte die Göttin heute Hilfe bei ihren Hausaufgaben gebrauchen«, sagte ich zu Madame Jenny, die mich eingelassen hatte.
    »Oh, das tut sie, mein Guter, das tut sie.« Sie nahm mir den Mantel ab. »Wie geht es Ihnen, Doktor? Sie waren lange nicht mehr hier. Wir haben sogar eine Weihnachtskarte für Sie besorgt. Wollen Sie sie noch haben?«
    »Sehr gern.«
    Die turbulente Jahrhundertwende - vom neunzehnten zum zwanzigsten - hatte der Göttin einige Probleme bereitet. Meiner Meinung nach hatte sie zu lange über ihren Essays gebrütet, was sie am Ende

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