Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
Vom Netzwerk:
ineinander zu bemerken. Zu Anfang war das eine Enthüllung, vor allem, wenn sie die Haarschnitte oder Ringe vorführten, die sie sich gegenseitig spendiert hatten. Dann hatte Billie bei einem Mittagessen von Miriam wissen wollen, ob sie jemanden »habe«. Was Mutter betraf, so hatte sie nie viel von Miriams Freunden gehalten. In ihren Augen waren es »Jungs« - grün hinter den Ohren und nicht die Luft wert, die sie atmeten -, aber keine Männer. Miriam konnte nur spitz erwidern: »Ich kann mich glücklich schätzen, mehrere Kinder zu haben.«
    Bei diesem Treffen war Billie höflich zu Miriam, hielt sie aber ganz offensichtlich für einen abgedrehten Borderline-Fall, was in Anbetracht des Gesprächs nicht ganz von der Hand zu weisen war. Zum Beispiel : Als Billie erwähnte, in der Ta te Modern laufe gerade eine wunderbare Ausstellung, erwiderte Miriam, ihrer Meinung nach s ei es schwachsinnig, dass es »Ta te Modern« und nicht »The Modern Ta te« heiße, was weniger prätenziös und viel zutreffender sei. Billie sagte, das wäre in etwa so, wie wenn man »The Houses of Parliament« die »Parliament Houses« nennen würde.
    Während sich dieses hintersinnige Gespräch entspann, stellte ich fest, dass Miriam in solchen Situationen im Handumdrehen ihr Teenager-Selbst reaktivieren konnte, das auch in ihren besten Phasen immer dicht unter der Oberfläche schlummerte, und ich fragte mich, ob sie sich gleich einen Gegenstand schnappen und an die Wand klatschen würde.
    Es war ein kalter Tag, und ich empfand die Hitze, die in ihr aufwallte, durchaus als wärmend, wollte aber auf keinen Fall, dass sie einen Eklat mit Billie provozierte. Mutter starrte die ganze Zeit so versonnen den Tisch an wie eine Schildkröte eine Straßenparade.
    Vielleicht, hatte ich überlegt, konnte Miriam erzählen, dass sie jemandem begegnet sei. Vielleicht konnte man Henry und sie offiziell als Paar vorstellen. Aber das fiel Miriam im Traum nicht ein; sie war schon zu wütend. Sie regte sich nicht nur darüber auf, dass die zwei Frauen gereist waren und Gemälde gekauft hatten - manche davon für 3000 £ -, sondern auch darüber, dass die beiden ein Atelier in ihrem Garten bauen lassen wollten, sobald sie den passenden Architekten gefunden hatten. Mutter und Billie waren offenbar der Ansicht, »nicht mehr als 15.000 £« dafür aufwenden zu müssen.
    Wie so viele Leute in England hatte auch Mutter mehr Geld durch ihr Haus als durch ihre Arbeit verdient. Sie hatte das Haus verkauft, das Darlehen getilgt und den Rest des Geldes behalten, das sie nun rasant zum Fenster hinauswarf. »Wenn ich vor meinem Tod alles verprasse, ist mir das egal«, sagte sie mir. »Über meine Kreditkarten kann ich mir sogar noch mehr leihen, wenn es sein muss.«
    »Ganz recht«, erwiderte ich. Noch lobenswerter war, dass sie weder ihren Kindern noch ihren Enkelkindern etwas von ihrem Geld abgegeben hatte, obwohl sich Miriam immer lautstarker darüber beklagte, dass ihr Haus, das sie zu einem günstigen Preis von der Gemeinde erworben hatte, langsam auseinanderfiel. Es war seit Jahren nicht mehr renoviert worden, und das Dach war baufällig. Aus irgendeinem Grund, den Miriam partout nicht verstehen wollte, schien Mutter der Meinung zu sein, dass ihre Tochter für ihren Lebensunterhalt arbeiten solle.
    Miriam warf Billie vor, einen »schlechten Einfluss« zu haben, aber Mutter hatte sich selbst verändert. Als Miriam andeutete, dass die Frauen vielleicht zu alt für ein solches Bauvorhaben sein könnten, wies Billie die Bezeichnung »alt« vehement zurück.
    »Alt ist über neunzig«, sagte sie trotzig. »Die Leute werden schon bald dreihundert Jahre alt werden.«
    »Das stimmt«, sagte Mutter. »Wir sind noch nicht zu alt, um eine Oper durchzustehen, vorausgesetzt, es gibt zwei Pausen und eine Toilette in erreichbarer Nähe.« Sie öffnete ihre Handtasche, und beide Frauen griffen sich ein paar »Verjüngungs«-Pillen, die sie mit hastigen Schlucken Biowein hinunterspülten. »Und Oma darf mich auch niemand nennen«, sagte Billie drohend.
    Ich fragte mich, ob sich Miriam am Telefon bei unserer Mutter darüber beschwert hatte, dass sie ihre Aufgaben als Großmutter vernachlässigte, denn als Nächstes informierte uns Billie darüber, dass die Häuslichkeit nach der Ehe die niedrigste Daseinsform sei; sie verabscheue alles, was mit Schule oder jenen trägen Erdmüttern zu tun habe, die stets Plastikmilchflaschen mit sich herumschleppten und diese Kinder mit Schmuddelgesicht

Weitere Kostenlose Bücher