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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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hätten, die sich allesamt zum Verwechseln ähnlich sehen und ausnahmslos Jack und Jill heißen würden.
    Nun waren die Frauen aufgebrochen, weil sie nachmittags einen Friseurtermin hatten, gefolgt von einem weiteren Einkaufsbummel und der Party eines örtlichen Künstlers. Wenn man diesen Frauen bis auf die Straße und dort in ein Taxi helfen musste, dann nicht, weil sie gebrechlich, sondern weil sie so blau und albern waren.
    Auf der Rückfahrt im Auto schwieg Bushy; ich auch. Miriam bebte am ganzen Körper, wir konnten ihren Schmuck klirren hören. Sie vibrierte stärker als eine Stimmgabel. Wir hatten eine Weile gebraucht, um es zu begreifen, aber Mutter war uns endgültig entglitten. Sie würde immer mit uns reden, aber wir waren nicht mehr ihr Lebensmittelpunkt. Sie mochte uns offenbar nicht einmal wirklich, und es war fast, als wären wir alte Freunde, die sich auseinandergelebt hatten. Sie hatte ihre Pflicht erfüllt und ging nun ihrer Wege.
    Schließlich sagte Miriam: »Ihr sitzt da so grinsend wie Zen-Mönche, und das finde ich unerträglich.«
    »Was findest du so unerträglich daran?«
    »Ich sprecht kein Wort! Wenn du je deine Analytiker-Scheiße an mir ausprobierst, drehe ich dir den Hals um.«
    »Kann sein, dass ich still war, aber ich fühle mich wohl. Was hast du denn? Du hast doch selbst die Liebe von Mädchen zu Mädchen ausprobiert, oder?«
    »Glaubst du, das hätte mir gefallen? Auf jeden Fall waren diese Mädchen keine alten Schachteln, sondern noch richtig knackig. Mutter verpulvert das Vermögen der Familie. Ein Atelier. Bildhauerei. Eine Loge in der Oper. Herrgott - die meiste Zeit saufen sie doch nur ...«
    »Das Geld gehört ihr«, sagte ich. »Ich finde, diese alten Mädchen haben da eine ziemlich gute Sache am Laufen. Sie himmeln einander an und sind ganz bei sich. Das ist doch eine würdevolle Art, sein Leben zu Ende zu bringen ...«
    »Warum will sie uns nichts geben? Ich muss jetzt einen neuen Mann durchfüttern! Er geht bestimmt fest davon aus, dass ich für ihn sorge!«
    »Hast du ihr von Henry erzählt?«
    »Sie würde glauben, dass er genauso ist wie alle anderen. Für sie waren sie alle unfähiger Abschaum. Und was ist mit ihren Enkelkindern, die sie jetzt links liegen lässt?«
    »Wir sind erwachsen«, sagte ich, hatte es aber schon satt, der Vernünftige von uns beiden sein zu müssen. »Und die Kinder auch bald. Sie können sich selbst helfen.«
    »Ihr habt mich immer fertiggemacht, du und Mutter.«
    »Ich bin derjenige, der Anlass zur Klage hätte, wenn du es hören willst«, sagte ich. »Wenn du zu Hause warst, hat Mutter mit dir gestritten. Wenn du weg warst, hast du immer sichergestellt, dass sie sich Sorgen um dich macht. Wo hatte ich da noch Platz?«
    »Ich hatte schreckliche Probleme«, sagte sie. »Die noch viel schlimmer wurden, weil du immer gemeint hast, ich würde ein nutzloses Leben führen. Du mit deinen Büchern und deinem schlauen Gerede und deinen Zitaten aus Gedichten und Popsongs. Du hast dich über meine Verrücktheit lustig gemacht. Inzwischen tust du es nicht mehr so oft, aber du warst immer ein arroganter Angeber! In Pakistan hast du mich fallengelassen wie eine heiße Kartoffel...«
    »Leck mich doch.«
    »So, aber jetzt ...«
    Sie hielt mich am Arm fest. Ich packte ihre freie Hand. Gut möglich, dass ich ein Spezialist für Gespräche bin, aber niemand wird bestreiten, dass eine Ohrfeige meine Schwester zur Besinnung gebracht hätte, auch wenn sie der Meinung zu sein schien, ein Schlag ins Gesicht könnte mein Mütchen kühlen. Bushy trat mitten im Verkehr auf die Bremse und drehte sich um: »Ihr beiden - Schluss damit! Im Auto wird nicht gekloppt - das sage ich auch den Kindern.«
    Miriam versuchte, mich zu schlagen, doch ich packte ihre Handgelenke, wodurch die Gefahr wuchs, dass sie mir einen Kopfstoß verpasste. Nachdem die Autos hinter uns zu hupen begonnen hatten, fuhr Bushy mit einer Hand weiter und versuchte, uns mit der anderen auseinanderzudrängen. Er schrie uns an.
    »Noch mehr davon, und ich halte auf der Stelle an und werfe euch beide aus dem Auto! Mann! Ihr seid ja schlimmer als Kinder!«
    Um sich zu beruhigen, beschloss Miriam, bei Henrys Wohnung auszusteigen. Sie wollte nicht hineingehen und ihn »belästigen«, sondern einfach draußen stehen und zu seinen Fenstern aufschauen, »weil ich daran denken will, dass er dort oben ist und mich nicht niedermacht - mich nicht wie ein Stück Scheiße behandelt - anders als du und Mutter und ihre

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