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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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Rubljow handelte. Ich fühlte mich zu der Mahnung bemüßigt, dass ein dreistündiger Schwarz-Weiß-Film auf Russisch möglicherweise zu viel für uns sein könnte, doch sie war wild entschlossen. Wir saßen als Einzige im Kino, und ich fand diese Stadt einfach großartig, in der ein Mann und seine Mutter in einem Gebäude zwischen dem Buckingham Palace und den Houses of Parliament ein so phantastisches Werk sehen konnten.
    Das war ungefähr drei Jahre her. Seitdem lebte Mutter mit Billie zusammen, einer Frau in ihrem Alter, die sie seit ihrem achten Lebensjahr kannte. Mutter hatte sich oft mit Billie verabredet, und wenn sie zu uns kam, hatte ich mich mit ihr unterhalten. »Du magst sie lieber als mich«, sagte Mutter einmal. Ich erwiderte etwas wie: »Sie lebt mehr
    in dieser Welt.« Allerdings mochte ich Mutter nicht beichten, dass ich Billie als Teenager, vielleicht auch schon in jüngeren Jahren, attraktiv gefunden hatte. Sie war sich ihres Körpers bewusst gewesen; sie hatte eine schöne Art, sich zu bewegen, sie war sinnlich.
    Nachdem Miriam und ich ausgezogen waren, redete Mutter jahrelang davon, das Haus gegen eine kleinere, einer »Oma« angemessenere Wohnung einzutauschen, aber wir glaubten ihr nicht, weil sie gern am gleichen Platz saß und jeden Tag das Gleiche tat, etwas, dass ich erst verstand, als ich Jenseits des Lustprinzips las, wo Freud Wiederholungen dieser Art »dämonisch« nennt und schlicht und einfach als »Tod« charakterisiert. Doch sie stellte ihr Haus zum Verkauf, und sie verkaufte es tatsächlich, was uns dann doch überraschte.
    Miriam weigerte sich, das Haus ein letztes Mal zu besuchen. Es war schmerzhaft, unsere Spielzeuge, Schulzeugnisse und Bücher einzusammeln und nach London zu verfrachten. Ich musste viele Sachen wegwerfen - und ich liebe es, Sachen wegzuwerfen -, doch in diesem Fall traf mich jeder Verzicht wie ein Schlag. Wahrscheinlich hatte Mutter geglaubt, dass wir sentimentaler wegen des Hauses sein würden, in dem wir aufgewachsen waren. Doch für uns besaß es kein echtes Leben, keine Schönheit, keine Persönlichkeit.
    Danach zog Mutter bei Billie ein. Uns erzählte sie, dass das von ihr gewünschte Haus noch nicht fertig sei. Billie lebte immer noch in dem Haus, in dem sie aufgewachsen war, ein großes Gebäude direkt neben dem Park, das ich seit Jahren nicht mehr betreten hatte, das in meiner Erinnerung aber voller Zeichnungen, Gemälde, Skulpturen und Katzen gewesen war. Ich glaube, Billie war Mr Unsichtbar. Billie hatte dreißig Jahre lang in einem Atelier für Künstler in einer ziemlich rauen Ecke Südlondons unterrichtet und außerdem Kurse für Fotografie, Malen, Zeichnen und Bildhauerei in ihrem Vorort gegeben. Billie, die viele Liebhaber gehabt, aber weder die »Liebe gefunden« noch Kinder bekommen hatte, legte immer noch schwarzen Lidschatten auf, hatte eine Kleopatra-Frisur, trug goldene Sandalen und manchmal eines der antiquarischen Kleider oder Schmuckstücke, die sie gemeinsam mit Mum gesammelt hatte. Sie war intelligent, und man konnte gut mir ihr reden. Nun standen die beiden Frauen früh auf und fuhren zum Atelier. Sie kochten, kauften Möbel und reisten, verbrachten viele Wochenenden in Brüssel oder Paris oder flogen zum Mittagessen oder für einen Nachmittagsspaziergang dorthin. Sie sprachen davon, sich eine Wohnung in Venedig zu mieten oder Urlaub in Barcelona zu machen.
    Mutter wollte nicht, dass wir sie für schräg, individualistisch oder radikal hielten; sie war einfach nur in ein anderes Haus umgezogen. Ob die beiden Liebhaberinnen waren, fragten wir nicht. Bestimmte Wörter wurden nicht in den Mund genommen, und Mutter bezeichnete Billie immer nur als »gute Freundin«. Wenn ich Billie manchmal ihre Gefährtin nannte, sträubte sie sich nicht dagegen. Es war die beste Beziehung in Mutters Leben. Billie schien sich nichts aus Mutters Selbstmitleid, ihren vielen Ängsten und ihrer Vorliebe für Stagnation zu machen. Mutter konnte Billie nicht so stark terrorisieren wie uns, denn diese hatte genug anderes um die Ohren.
    Leider kümmerte sich Mutter nun kaum noch um Miriam, um die sie sich ihr ganzes Leben lang Sorgen gemacht hatte. Miriam fühlte sich im Stich gelassen, doch ich konnte es inzwischen mit ihr aufnehmen und ließ nicht zu, dass sie Mutter attackierte.
    Wenn wir Mum und Billie trafen, die, mit Bücherstapeln beladen, meist gerade von einem Einkaufsbummel bei Hatchards zurückgekehrt waren, kamen wir nicht umhin, ihre Versunkenheit

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