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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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hinterfotzige Freundin!«
    Ich konnte Bushys Augen im Rückspiegel sehen. Ich zuckte mit den Schultern. Mir war schon seit langem klar, dass es sinnlos war, mit Miriam zu streiten. Bushy parkte das Auto nicht weit vom Fluss entfernt. Dann gingen wir zu Henrys Haus, und nachdem wir die zur Wohnung aufblickende Miriam eine Weile betrachtet hatten, sagte Bushy: »Na, los, Julia, rauf mit dir! Ich komme später wieder«, und wir gingen.
    Vielleicht hatte Mutters Abenteuer Miriam Mut gemacht. Vielleicht war Mutter ein größeres Vorbild für sie, als die beiden sich eingestehen mochten. Auf jeden Fall wurde Miriams Beziehung zu Henry im Laufe der nächsten Wochen immer ernster. Und aufgrund einer Wendung der Dinge bekam ich mehr davon mit, als mir lieb war.
    ELF
    Miriam und Henry hatten begonnen, mein freies Zimmer für ihre Stelldicheins zu nutzen. Sie gingen jede Woche mindestens einmal ins Theater oder ins Kino, und wenn ich mit Freunden unterwegs war, Vorträge hielt oder einfach durch die Stadt schlenderte und über meine Patienten nachdachte, landeten sie anschließend in meinem Zimmer.
    Sie hatten einen verschließbaren Schrank verlangt, in dem sie Tücher, Peitschen, frische Kleider, Amylnitrat, Vibratoren, Videos, Kondome und außerdem zwei Teeeier aus Metall aufbewahrten. Ich fragte mich, ob diese als Nippelklemmen benutzt wurden - oder sollte ich davon ausgehen, dass sich Henry und Miriam eine Tasse Orange Pekoe genehmigten, nachdem sie fertig waren? Diese neue Entwicklung hatte sich nach einer Krise in Henrys Wohnung angebahnt. Man hatte ihn ertappt.
    Wir aßen mindestens einmal die Woche gemeinsam zu Mittag, immer in indischen Restaurants der Gegend, oft in solchen, die wir nie zuvor ausprobiert hatten. Das war eine Leidenschaft, und zwar nicht für die indische Küche, sondern auch für die ganze Deko des Restaurants, samt Flockentapete, erleuchteten Bildern von Wasserfällen oder dem Taj Mahal und den Kellnern in schwarzem Anzug und mit Fliege. Wenn ich durch London lief, hielt ich nach solchen Orten Ausschau, die, genau wie die Pubs, langsam schickeren Etablissements wichen.
    Meine Theorie hatte immer gelautet, dass indische Restaurants - nur selten von Indern, sondern meist von Bangladeshis betrieben - die Erfahrung der Kolonialzeit für die britische Masse reproduzieren würden. Als wir uns setzten, teilte ich Henry daher mit: »So war es für deine Vorfahren, Henry, denen das Essen von unterwürfigen, ehrerbietigen Indern in Dienertracht serviert wurde. Hier kannst du dich fühlen wie ein König - aber das tust du ja sowieso.«
    Die Theorie gefiel ihm, und hinsichtlich seines Mittagessens wollte er auf gar keinen Fall ein Kolonialist sein. Er ließ sich auch nicht milder stimmen, als ich erklärte, das Erlebnis sei »disneyfiziert«, womit ich sagen wollte, dass die wahren Produktionszusammenhänge verborgen blieben. Die Besitzer waren natürlich keine weißen Briten, sondern Bangladeshis aus dem ärmsten Land der Welt. Er wirkte leicht erschüttert, wenn auch nicht unbedingt bestürzt, als ich ihm erzählte, die Kellner hätten ihre Länder für den Westen im Stich gelassen. Henry meinte, dass sie nach allem, was ihre Vorfahren während der Kolonialzeit durchlitten hatten, ein Recht auf unseren Wohlstand hätten.
    Im Restaurant unterhielt er sich mit den Kellnern über Tony Blair und Saddam Hussein, über ihr Heimweh und ihren Glauben, dass Gott sie retten, auf jeden Fall aber beruhigen werde; darüber, dass sie die Religion als Therapie benutzten. Er sagte sogar, dass er überlege, zum Islam zu konvertieren, obgleich die Freude an der Blasphemie eine zu große Versuchung für ihn wäre.
    Nachdem wir bestellt hatten, sagte Henry: »Diese Leute kommen uns nicht wegen ihrer sozialen Stellung, sondern wegen ihres Glaubens lächerlich vor. Aber sie können sich glücklich schätzen. Diese Geschichten über Gott halten ja im Grunde alles zusammen. Sie sind doch bestimmt wirksamer als Antidepressiva, oder? In einer gottlosen Gesellschaft herrscht größere Verzweiflung als in einer gottesfürchtigen. Findest du nicht auch?«
    »Keine Ahnung. Weiß ich wirklich nicht.«
    »Dem stimmst du natürlich nicht zu, denn anders als ich kannst du auch von Glück reden.« »Kann ich das?«
    »Du verdienst dein Geld damit, den lieben, langen Tag Frauen zu lauschen, die dich bewundern und idealisieren. In Gedanken habe ich dich immer einen >Sammler der Seufzer< genannt.«
    Er fuhr fort: »Inzwischen bin ich natürlich in

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