Das sag ich dir
gehen beschloss und nach meinem Mantel suchte, stellte mir Jagger einen Mann vor, der gegen Ende des Abends gekommen war.
»Er möchte dich kennenlernen«, sagte Mick und erklärte, sie seien Kricket-Kollegen und würden gemeinsam zu Testspielen in aller Welt reisen. George kannte sich bestens mit indischem Kricket aus.
Ich war gut genug mit der modernen Welt vertraut, um zu wissen, dass dieser Typ, George Cage, ein Songwriter und Performer war. Er kam mir irgendwie schillernd vor, und er besaß jene Ausstrahlung von strotzender Gesundheit, Erfolg und Geistlosigkeit, die entsteht, wenn man zu verwöh nt und von zu vielen Speichellec kern umgeben ist. Miriam, die zu uns stieß, schien George zu kennen, und sie war hin und weg. »Meine Tochter ist ein Fan von Ihnen«, verkündete sie ihm frohgemut.
»Freut mich«, erwiderte er. »Meist sind es nämlich die Mütter.«
Ich sagte, ich müsse los, draußen warte ein Taxi. Doch ich merkte, dass George mich unverwandt anschaute, und als ich schließlich meinen Mantel holte, kam er zu mir und fragte mich, ob er meinen Arm sehen dürfe.
»Sie werden das merkwürdig finden, aber irgendetwas weckt meine Neugier«, sagte er. »Darf ich mal schauen?«
Er wollte einen Blick auf meine Armbanduhr werfen.
Ich zeigte sie ihm. Eine alte, schwere Uhr mit breiten Zeigern unter dem dicken, zerkratzten Glas und einem versilberten, elastischen Band. Eine Uhr mit deutlich lesbaren Zahlen und Datumsanzeige - mit allem, was ein Mann brauchte, um sich orientieren zu können.
Er beugte sich darüber und betrachtete sie. Er bat mich, sie abzunehmen, damit er die Rückseite sehen konnte. Ich sah keinen Grund, ihm dies zu verweigern.
Er setzte seine Brille auf und musterte die Uhr. Als er sie mir zurückgab, sagte er: »Darf ich fragen, woher Sie die haben?«
»Ich besitze sie schon sehr lange«, erwiderte ich. »Warum fragen Sie?«
»Mein Vater hatte eine ganz ähnliche Uhr.«
»Ich glaube nicht, dass sie teuer sind. Was hat er beruflich getan?« »Er besaß eine Fabrik. Er wa r Geschäftsmann. In Südlondon.«
Ich sah ihm in die Augen. »Mustaq?«, fragte ich. »Ajita ist deine Schwester?« »Stimmt.«
»Mein Gott«, sagte ich. »Geht es ihr gut?«
»Aber ja. Was hast du denn erwartet? Sie lebt mit ihren zwei Töchtern in New York. Oder jedenfalls mit einer. Die andere ist am College.« Er fischte sein Handy heraus und warf einen Blick auf das Display. »Ich rufe sie später an. Soll ich sie von dir grüßen?« »Bitte.«
»Schöner Schock, wie?« »Kann man wohl sagen.«
»Ich will noch tanzen gehen«, sagte er. »Aber nicht in einen schicken Laden - eher so eine Art Spelunke. Magst du mich begleiten? Vielleicht können wir reden. Mein Fahrer bringt dich dann nach Hause.«
Ich erwiderte, dass meine Arbeit früh am Morgen beginne. Dann fragte ich: »Wie bist du zur Musik gekommen, Mustaq? Ich weiß noch, dass du mir damals vorgesungen hast.«
»Ach, ja, wie peinlich. Als meine Schwester und ich in Indien gelebt haben, bin ich zwei Jahre lang im Haus meines Onkels geblieben und habe Drums, Tabla, Gitarre und Klavier gelernt. Alles, was Krach machte. Alles, was Dad missfallen hätte. So kam es, dass ich als einer der ersten Jazz, Rock, Filmmusik aus Bollywood und klassische indische Musik miteinander vermischt habe.
Du weißt ja, dass ich immer ein hipper >Young American< sein wollte, und in New York habe ich ein paar Jungs getroffen, mit denen ich auftreten konnte. Ich war unglaublich gern auf der Bühne und hatte nie Lampenfieber. Aber du bist jetzt bestimmt zu müde zum Reden.«
Während ich ihm zuhörte, stellte ich fest, dass er genauso war wie früher, nur dass all seine Gesten so übertrieben wirkten wie die eines Mannes, der seine Rolle als Tunte viel zu ernst nahm.
Er holte seinen Blackberry heraus und fragte: »Darf ich dich wiedersehen? Wäre es dir recht, wenn ich mir deine Nummer notiere?«
»Ja, sicher.«
Bevor wir gingen, ergriff er trotz seiner smarten Manieren ein letztes Mal meinen Arm, so sanft, als wollte er ihn streicheln, und legte sein Gesicht auf das Uhrgehäuse, wobei er zwei Mal spöttisch zu mir aufsah.
Das hätte mich amüsieren können, doch ich erinnerte mich an die Hartnäckigkeit, die er damals bei unserem Kampf gezeigt hatte.
Auf der Heimfahrt im Auto sagte ich: »Das war unheimlich, Mustaq - George Cage - wiederzusehen.«
»Na, er hat dir auf jeden Fall schöne Augen gemacht«, sagte Henry. »Ich finde, er war regelrecht elektrisiert. Seid
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