Das Sakrament
zu ihr hin – nicht zum Trost, sondern als wollte er, daß sie sie ergriff und sich von ihm führen ließ. »Die bittere Alchemie des Krieges wirkt in uns allen. Vielleicht erkennen wir jetzt beide unseren Lebensweg klarer.«
»Vielleicht, aber mein Pfad gehört mir, mir allein.«
Ludovico antwortete: »Wenn Gott uns gnädig ist, könnten wir einen anderen Sohn bekommen.«
Carla starrte ihn an, als wäre er von Sinnen. Vielleicht war er das auch.
»Wenn das Kreuz siegt, wenn wir diese Belagerung überleben, dann ist mein Werk vollbracht«, sagte Ludovico. »Kein Mensch hat mehr für die Mutter Kirche getan als ich, und keiner hat mit reineren Absichten gehandelt. Ihr nennt mich ein Ungeheuer. Ja.«
Sie sah wieder, wie tief ihn ihre Worte verletzt hatten.
»Ich will es nicht leugnen, ich will mich auch nicht entschuldigen. Stehen wir nicht in diesem Augenblick mitten in der Hölle? Wir müssen anderen Angst und Schrecken bereiten und auch selbst erdulden, damit größeres Unglück vermieden wird. Trotzdem ist mein Herz ermattet von dieser Arbeit. Es möchte seine Bürde ablegen.« Ludovico deutete auf die Kutte, die er trug. »WieIhr seht, bin ich nun ein Justizritter im Orden des heiligen Johannes. In der Ordenstradition gibt es Präzedenzfälle, die es mir erlauben würden, meinem Mönchsgelübde abzuschwören – und ein Laienritter zu werden. Dann wäre ich ein Ritter, der kein volles Mitglied des Ordens mehr ist, dem aber noch der geistliche Trost und gewisse Privilegien seines Ranges zustehen.«
Er hielt inne, als wollte er ihr Zeit lassen, aus diesen Worten ihre Schlüsse zu ziehen. Alle Instinkte warnten sie davor.
Ludovico sagte: »Mit diesen Traditionen und mit dem Segen bestimmter Personen, auf deren Fürsprache ich bauen kann, könnte ich Euch ohne Ehrverlust heiraten.«
Nach diesen Worten senkte sich eine tiefe Stille über den Raum. Carla spürte, wie ihr die kalten Schauer der höchsten Angst über den Rücken liefen, Schauer, die sie nicht mehr verspürt hatte, seit ihr Vater ihr mitgeteilt hatte, daß sie ihr Kind nie wiedersehen würde.
Sie erwiderte: »Ihr sprecht mir von Wahnsinn und bittet mich dann, Euch zu heiraten?«
»Wahnsinn.« Ludovico bedachte diese Vorstellung und nickte. »Nach der Schlacht um St. Michael habe ich Euch zufällig gesehen. Im Heiligen Hospital habe ich einen kurzen Blick auf Euch erhascht. Es war das Werk eines einzigen Augenblicks. Seither denke ich nur noch an Euch.«
Seine Stimme blieb ruhig, und doch spürte Carla, wie sie unwillkürlich einen Schritt zurücktrat. Ihre Schulter berührte die Wand.
Ludovico fuhr fort: »Wißt Ihr, mit welch ungeheurer Selbstbeherrschung ich Euch bis zu diesem Augenblick gemieden hatte? Seit ich vom Schiff an diesen Strand geschritten war. Ich sah nur meine Pflicht, weil ich ahnte, welche Macht Ihr über mich ausüben würdet, wie Ihr meine Seele wieder verzaubern würdet. Doch das sollte nicht sein, und hier stehe ich nun vor Euch, aufs neue verzaubert.«
Carla begriff, warum er sie in das Kloster hatte verbannen wollen. Nicht ihre Seele sollte so geschützt werden, sondern seine. Sie antwortete nicht.
Ludovico nickte wieder. »Es war das Werk eines einzigen Augenblicks. Ich bin verdammt. Genau wie ein ähnlich kurzer Blick mich in einem ähnlichen Augenblick verdammt hat, damals auf einem Berg, hoch über einer golden und türkis schimmernden See. Ich hatte niemals die Absicht, mein Leben der Inquisition zu weihen. Ich war ein Gelehrter und Doktor der Juristerei und der Theologie, doch dann stürzte ich mich in die Arbeit, machte mich daran, die Welt von der Ketzerei zu reinigen, um mich selbst zu läutern – von der Krankheit der Liebe. Eine andere Heilung konnte ich nicht finden. Wie konnte in einem Mann die Liebe überleben, den so viele hassen würden? Der soviel Angst und Schrecken verbreiten würde? Ich schickte Abtrünnige und Ungläubige aller Art auf den Scheiterhaufen, um Eure Erinnerung aus meinen Gedanken auszubrennen.«
Mühsam unterdrückte Carla ein Schluchzen. »Mir gebt Ihr die Schuld an Euren Verbrechen?«
Ludovicos Blick bestätigte ihr das, und doch lautete seine Antwort anders.
»Philosophische Erwägungen verbieten mir eine solche Schuldzuweisung«, sagte er. »Und was meine Taten angeht, so hält sie – im Gegensatz zu Euch – niemand in unserer Kirche für Verbrechen.«
»Habt Ihr denn gar nichts für Eure Opfer empfunden?«
»Ich habe ihre Seelen gerettet«, antwortete Ludovico.
Carla
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