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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Weihrauch und setzte ihm angewärmte Glasgefäße auf die Haut. Er flößte ihm Honigwasser, gesalzenen Joghurt und Arzneien in solchen Mengen ein, daß Tannhäuser das Gefühl hatte, er würde sich übergeben, wenn er nur die Kraft dazu aufbringen könnte. Der gleiche stumme und geduldige Mann entfernte mit großer Würde seinen Kot, eine Demütigung, die Tannhäuser mit dem Gleichmut eines Mannes hinnahm, dem keine andere Wahl blieb.
    Einige Tage lang ließ Tannhäuser dies alles voller Beschämung geschehen, dann fiel ihm ein, daß der Äthiopier unter all seinen Brüdern auf der Insel in der glücklichsten Lage war, denn wenn er ihm nicht im Schatten des Zeltes gedient hätte, dann würde er höchstwahrscheinlich Kanonen und Körbe voller Felsbrocken über die Berge schleifen. Danach ergab sich Tannhäuser mit erleichtertem Gewissen der Pflege des Äthiopiers und war sogar geneigt, dem Mann seinen Dank zuzumurmeln.
    Sobald er wieder genügend Kraft hatte, um den Kopf vom Kissen erheben zu können, bemerkte er, daß sein Körper mit braunen und blauen Beulen übersät war. Hätte er einen anderen Mann in einem solchen Zustand gesehen, er hätte einen großen Bogen um ihn gemacht, denn wenn der Schwarze Tod wiederkehren und die Gottlosen treffen würde, dann würde er sicherlich so aussehen. Der Gedanke, daß man einen Mohren leichten Herzenseinem solchen Schicksal opfern würde, vergrößerte nur seine Furcht, daß seine Diagnose zutreffen könnte. Als ihn eine Reihe von arabischen und jüdischen Ärzten besuchten, die alle angesichts seiner Wundmale äußerst zuversichtlich wirkten, beruhigte er sich ein wenig. Die Doktoren waren übereinstimmend der Meinung, daß sich sein Körper mit Hilfe dieser Beulen von giftigen Flüssigkeiten befreite. Sie waren sich auch einig darin, daß diese Pusteln, wenn er denn überleben sollte, alle verschwinden würden. Im Gegensatz zu den Juden schrieben die Araber diese Tatsache eher Allahs Güte als ihrer eigenen Kunstfertigkeit zu. Die zahlreichen halb verheilten Schnitte und Prellungen, die seinen Körper sonst noch zierten, erregten keinerlei Kommentar.
    Die Ärzte hatten eine Tinktur aus rotem Goldlack, Moschus und Gewürznelken zubereitet, die sich die glücklicheren unter den hohen Befehlshabern dreimal täglich um die Nase rieben, um sich vor Ansteckung mit der Pest zu schützen. Auch Tannhäuser kam in den Genuß dieses kostbaren Schutzes. Man versicherte ihm zudem, das Mittel sei auch gut gegen nächtliches Schwitzen und alle Auswirkungen der Melancholie. Letztere Versprechung erfüllte sich zumindest nur unvollkommen. Man pflegte Tannhäuser mit äußerster Sorgfalt und hinderte ihn so daran, sich in einem Zustand glücklichen Vergessens aus dem Reich der Lebenden zu verabschieden. Statt dessen verbrachte er einige Wochen in vollständiger Hilflosigkeit. Es war eine ungewohnte Erfahrung für einen Mann, der einen großen Teil seines Selbstbewußtseins aus seiner Körperkraft bezog.
    Jeden Abend kam Abbas zu ihm – Tag für Tag, wochenlang. Sein Gesicht war vom Schmerz gezeichnet, weil er mit ansehen mußte, wie täglich unzählige gute Männer auf dem Schlachtfeld fielen. Er saß neben Tannhäuser und las ihm aus dem Koran vor. Seine Stimme beschwor aus diesen Texten eine Schönheit herauf, die ohne jeden Zweifel bestätigte, daß die Worte unmittelbar aus dem Munde Gottes gekommen waren. Während dieser Besuche gab Tannhäuser vor, nicht sprechen zu können, denn Abbas’ Zärtlichkeit war so schlicht und rein, daß sie ihm beinahe das Herzbrach. In seinem geschwächten Zustand gerieten die Gefühle leicht außer Kontrolle. Seine Empfindungen für Abbas waren kompliziert und voller Schmerzen. Freund und Entführer, Retter und Herr, Vater und Bruder und Feind. Tannhäuser lag da, ein Betrüger, vielleicht gar ein Verräter. Also sprach er lieber gar nicht und nahm die heilende Liebe in sich auf, die Abbas ihm schenkte.
    Tannhäuser lag im großen seidenen Zelt da, und zwischen unruhigem Schlummer, in dem unsägliche Schrecken seine Träume heimsuchten, beobachtete er das ständig wechselnde Licht, das dem wunderbar gewebten Stoff mehr Schattierungen der Farbe Rosa entlockte, als sich selbst die Hofmaler Suleimans hätten vorstellen können. Er hatte von dieser Farbe nie viel gehalten und geglaubt, er würde ihrer bald überdrüssig werden, aber das stimmte nicht. Statt dessen schlug sie ihn mehr und mehr in ihren Bann, als wäre die Farbe, die hier aus Kette und

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