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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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starrte ihn an und fragte sich, ob er das wirklich glaubte.
    »Und sie haben mir etwas hinterlassen, das mich noch schlimmer quält als die unerfüllte Liebe. Die Erinnerung an Menschenleben, die wie Kerzen ausgelöscht wurden.«
    Carla wollte sich abwenden, aber seine Augen hielten sie fest.
    Ludovico sagte: »Wenn man soviel Licht hat verlöschen sehen, dann ist die Welt ein sehr finsterer Ort. Und doch ist sie nicht so finster geworden, daß ich Euer Gesicht nicht mehr sehen konnte.«
    Carla verstand, warum sie Mitleid empfunden hatte, als sie ihn zuerst an der Tür hatte stehen sehen. Nun schnitt es ihr wie ein glühendes Eisen ins Herz. »Gott vergebe Euch«, sagte sie.
    »Das tut Er«, antwortete Ludovico. »Denn ich habe Ihm gut gedient. Meine Frage ist, ob Ihr mir vergeben könnt.«
    »Dafür, daß Ihr all diese Lichter ausgelöscht habt?«
    »Dafür, daß ich Euer Herz gebrochen habe.«
    Beinahe wäre ihr Herz noch einmal gebrochen. »O Ludovico«, sagte sie. »Ich habe Euch in dem Augenblick vergeben, als ich wußte, daß ich Euer Kind unter dem Herzen trug. Wie konnte ich ein Kind bekommen und noch Platz für irgend etwas außer Liebe in meinen Gedanken haben? Besonders Liebe zu dem, der es mit mir erschaffen hatte?«
    Ludovico starrte sie an. Einen Augenblick lang schimmerten die schwarzen Augen feucht. In ihrer Tiefe sah sie einen Mann, der in eine bodenlosen Grube gefallen war, in eine teuflische Falle, die er selbst gegraben hatte und aus der er verzweifelt zu entkommen versuchte.
    »Ich habe nie eine andere Frau erkannt«, sagte er.
    »Ich auch keinen anderen Mann«, erwiderte sie.
    »Können wir nicht beide das Feuer unserer Liebe wieder entfachen?«
    Carla schüttelte den Kopf. »Ich kann es nicht.«
    »Wegen meiner Arbeit?«
    »Weil das, was zwischen uns war, vorbei ist.«
    Später konnte sie es sich nicht erklären, warum sie die nächsten Worte gesagt hatte. Sie wollte ihn loswerden. Sie wollte ihm sinnlose Schmerzen ersparen. Sie wollte ihm die Wahrheit sagen.
    Sie fügte hinzu: »Und weil ich einen anderen liebe.«
    Der feuchte Schimmer verschwand so rasch aus Ludovicos Augen, daß sie sich fragte, ob er wirklich dagewesen war. Nun blickte sie ein Mann an, der in der bodenlosen Grube seine Heimstatt gefunden hatte. »Den Deutschen?«
    Carla hatte ihre innere Stimme schon zu weit hinter sich gelassen. Sie war zu weit in das Spinnennetz gewandert. »Mattias Tannhäuser«, antwortete sie.
    »Tannhäuser ist tot.«
    »Vielleicht.«
    »Nur die Schwimmer sind aus St. Elmo entkommen. Alle anderen haben die Türken mit dem Schwert hingerichtet.«
    »Selbst wenn Mattias tot ist, sind meine Gefühle lebendig.« Mehr hätte sie nicht sagen müssen, aber sie konnte nicht aufhören. »Er und ich, wir wollten heiraten. Es war mein Wunsch. Und von ganzem Herzen wünsche ich es mir auch jetzt noch.«
    Nun war es geschehen. Das Werk eines einzigen Augenblicks. Ludovicos Augen wurden so hart wie Steine. Er starrte auf sie herab. Sie begriff, daß sich etwas für immer und ewig geändert hatte und daß sie es bitterlich bereuen würde, mehr als alles, was sie sich nur vorstellen konnte. Sie hatte das Gefühl, als schrumpfte sie unter seinem Blick zu einem äußerst zerbrechlichen Wesen zusammen, zur letzten flackernden Kerze in einer Welt, die bereits in undurchdringlicher Dunkelheit lag. Sie erwartete, daß seine Hände ihr das Hemd vom Leibe reißen würden. Sie spürte, wie dieser Drang in ihm aufwallte. Seine Selbstbeherrschung siegte. Er hatte seine Dämonen in der Gewalt.
    »Wir sprechen uns wieder«, sagte er.
    Ludovico wandte sich um und ging zur Tür. Er machte sie auf, blieb auf der Schwelle stehen und wandte sich noch einmal um. Sie konnte im Dunklen seine Züge kaum erkennen.
    Er sagte: »Die Männer, die Euch sagten, daß ich für immer fortgegangen war – die Euch für niedriger als eine Hure hielten? Ich kannte sie gut. Es waren meine Herren. Mir hatten sie gesagt, daß Ihr Anklage wegen unzüchtigen Verhaltens erhoben hättet. Gegen mich.«
    »Sie haben gelogen.«
    »Ja.«
    »Aber Ihr habt ihnen geglaubt.«
    »Ich war ein junger Priester. Sie waren hohe Kirchenfürsten. Ihr wart ein junges Mädchen. Mit einem eifersüchtigen Vater, der mächtige Freunde hatte.«
    Er hielt inne. Carla sagte nichts. Sie hatte zu der Tragödie, die sie beide aneinanderband, nichts mehr zu sagen.
    »Bis heute abend habe ich nicht gewußt«, fuhr er fort, »daß siemir damit meine erste Lektion im Gebrauch der Macht

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